"Aktion scharf" gegen Radfahrer in Linz?

Enorme Polizeipräsenz bei der Linzer Critical Mass

Radlobby fordert Deeskalation statt überzogenen Polizeieinsätzen

Letzten Freitag wurde ein Radfahrer der monatlich stattfindenden Linzer „Critical Mass“-Radfahrt zur Identitätsfeststellung verhaftet. Dieses Vorgehen scheint der Gipfel einer „Aktion scharf“ der Polizei gegen Radfahrer in Linz zu sein. Der Verein Radlobby OÖ ist nicht Veranstalter der „Critical Mass“-Radfahrten, will aber mit dieser Presseaussendung klar Stellung gegen das als überzogen empfundene Vorgehen der Polizei gegen Radfahrende in den letzten Monaten beziehen.

"Aktion scharf" gegen Radfahrer in Linz

Bereits in den letzten Monaten sind der Radlobby immer häufiger praxisferne Kontrollen durch die Polizei berichtet worden: Eine Polizeistreife kontrollierte etwa frühmorgens streng auf der fast leeren Linzer Landstraße die Einhaltung der Schrittgeschwindigkeit von radelnden Pendlern. Auf der Industriezeile wurde ein minderjähriger Radfahrer angehalten, weil er am Gehsteig radelte, anstatt sich in den Schwerverkehr auf der Fahrbahn einzuordnen. In der Hauptstraße Urfahr werden Radfahrende, die ohne Gefährdung ein kleines Stück gegen die Einbahn zu Geschäften zufahren, abgestraft. Wozu diese scharfen Aktionen der Polizei genau dienen soll, ist unklar.

Kontrollen durch die Polizei sollten verhältnismäßig sein und der Verkehrssicherheit dienen. Natürlich werden Verkehrsübertretungen geahndet - Radfahrende wünschen sich jedoch die gleichen Bemühungen auch zu ihrem Schutz durch konsequentes Freihalten von Radverkehrsinfrastruktur sowie Kontrolle von Kfz-Maximalgeschwindigkeiten und genügend Sicherheitsabstand bei Überholvorgängen. Z.b. an der wichtigsten Stelle für den Radverkehr in OÖ, beim AEC im Norden der Nibelungenbrücke: Dort fahren ca. 60 % der Autofahrer (rund 10.000 pro Tag) zu schnell und gefährden dadurch massiv die Radfahrenden.

Es ist auch der Linzer Polizei bekannt, dass es im Stadtgebiet seit Jahrzehnten viele Radwegelücken und Sicherheitsprobleme gibt, und daher wäre etwas mehr Fingerspitzengefühl gefragt, wenn eine unorganisierte, friedliche Gruppe wie die seit 10 Jahren in Linz stattfindende „Critical Mass“ für mehr Sichtbarkeit von Radverkehr fröhlich durch die Stadt radelt.

Festnahme bei monatlicher "Critical Mass"-Radfahrt

Laut mehreren übereinstimmenden Aussagen von Mitfahrenden haben letzten Freitag Polizeibeamte gleich zu Beginn in einem barschen Ton die Beendigung gefordert und dann gezielt die Radfahrt gestoppt. Die Festnahme eines Teilnehmers durch gleich 17 Polizisten ließ die Wogen hochgehen, und erscheint unnötig eskalierend.

In den Anfangsjahren der Linzer „Critical Mass“ vor 10 Jahren hat die Polizei laut Teilnehmern bereits einmal versucht, die Fahrt durch rigorose Personenkontrollen und Ermitteln eines Organisators zu unterbinden. Da die friedlichen Fahrten - so wie in vielen großen Städten weltweit - weiterhin regelmäßig und ohne Organisation stattgefunden haben, wurden die Fahrten seither von der Polizei geduldet. Bei den Radfahrten wirken die Teilnehmer bei der Absicherung im Konvoi mit. Die Fahrten verlaufen üblicherweise durch gegenseitige Rücksichtnahme und Augenmaß aller Verkehrsteilnehmer und der Exekutive ohne Probleme oder Zwischenfälle, in Österreich jedes Monat in vielen großen Städten von Vorarlberg bis Wien.

Gerhard Fischer, Vorsitzender der Radlobby OÖ, ist selber im Juli 2018 das erste Mal bei einer „Critical Mass“-Fahrt mitgeradelt, um sich ein Bild von der Aktion zu machen. „Ich war sehr positiv überrascht von dem Mix der TeilnehmerInnen von jung bis alt, der positiven Stimmung und vor allem den vielen positiven Reaktionen von Passanten am Gehsteig und entgegenkommenden Radfahrern. Die einzige negative Erinnerung, die ich an diese Fahrt habe, war ein Polizeiauto, welches auf Höhe des Radkonvois beim Hauptbahnhof plötzlich das Folgetonhorn eingeschaltet hat und bei dem die Beamten aus dem Fenster heraus geschimpft haben, dann aber wieder weiter gefahren sind.“

Radlobby fordert Deeskalation und Verhältnismäßigkeit

Die Radlobby OÖ schlägt umgehend die Aufnahme eines Dialogs von „Critical Mass“-Teilnehmern mit der Polizei vor und stellt sich dazu gerne in einer vermittelnden Funktion zur Verfügung. Die Radlobby pflegt seit Jahren beste Kommunikation mit der Linzer Verkehrspolizei und natürlich auch mit vielen Linzer Radfahrenden. Konflikte lassen sich durch aktive Kommunikation im Vorfeld am besten vermeiden. Deeskalation statt Eskalation ist allemal der bessere Weg für ein gutes Auskommen aller Verkehrsteilnehmer.

Generell sollten „Aktion scharf“-Schwerpunktaktionen nur das letzte Mittel sein - die Verhältnismäßigkeit des Gefährdungspotentials muss bei Überwachung des Radverkehrs berücksichtigt werden und bereits im Vorfeld auch die Radlobby im Dialog auf der Suche nach Lösungen eingebunden werden.

 

Links