Vorsicht beim Verlassen des "Radweges"

Welche Regeln gelten beim Verlassen von Radwegen bzw. Geh-&Radwegen und wem wird im Zweifelsfall Recht gegeben? Johannes Pepelnik, Vertrauensanwalt der Radlobby, sagt hierzu Folgendes: 

In Österreich gilt grundsätzlich die Benützungspflicht von Radfahranlagen mit Ausnahmen. Radfahrende, die einen Radweg oder Geh-&Radweg ohne weiterführende Radfahrerüberfahrt verlassen, haben sämtlichen im Fließverkehr befindlichen Fahrzeugen den Vorrang einzuräumen. Es gilt hier also erhöhte Vorsicht, zumal die angebrachten Verkehrsschilder beim Übergang von beschildertem Radweg in den Fließverkehr oftmals verwirrend sind.

Radweg-Ende

Oberster Gerichtshof interpretiert eine Vorrangregel zu Lasten von Radfahrenden

Am 25. Februar 2016 hatte der OGH die Frage entschieden, was gilt, wenn Radfahrende, die den Radweg verlassen (aber geradeaus fahren) mit Autofahrenden zusammenstoßen, die vor dem querenden Radweg das Vorschriftszeichen „Vorrang geben“ gegen sich wirken lassen mussten (2 Ob 135/15i). Die Entscheidung fiel zu Lasten der Radfahrenden. Die Verkehrssituation stellte sich wie folgt dar: Der Unfall ereignete sich in Grieskirchen, in Oberösterreich. Der Radfahrer fuhr auf dem parallel zur Gallspacher Straße geführten getrennten Radweg. Dieser Radweg endete vor der Kreuzung mit der Industriestraße. Im vorliegenden Fall hatte also der klagende Radfahrer den Radweg verlassen. Dies führt gem. § 19 Abs. 6a StVO dazu, dass er anderen Fahrzeugen im Fließverkehr den Vorrang zu geben hat. Der beklagte Autolenker befand sich auf einer Nachrangstraße. Das Gericht hatte somit zu entscheiden, wen hier das Alleinverschulden an dem Unfall trifft.

Alleinverschulden behauptet

Der Rad fahrende Kläger behauptete, der beklagte Autolenker habe das Alleinverschulden am Unfall zu verantworten, da er auf einer nachrangigen Verkehrsfläche unterwegs gewesen war. Der beklagte Autolenker behauptete das Alleinverschulden des klagenden Radfahrers, da er im Fließverkehr unterwegs gewesen war, während der Radfahrer den Radweg verlassen habe. Der OGH schloss sich der Meinung des Autofahrers an und verwies darauf, dass es die Grundregel sei, dass Radfahrende, die eine Radfahranlage verlassen, sämtlichen im Fließverkehr befindlichen Fahrzeugen den Vorrang einzuräumen haben.  Damit wäre die Verkehrsfläche des Autolenkers nicht mehr nachrangig und es würde auch keine „unklare Situation“ vorliegen. (Anmerkung: seit 1.4.2019 besteht dieser Sondernachrang zwar nur mehr beim Verlassen von Radwegen und Geh- und Radwegen, und nicht bei allen Radverkehrsanlagen, aber da im gegenständlichen Fall ein gemischter Geh- und Radweg verlassen wurden, hat diese Urteil auch heute noch genauso bedeutend)

Streitfall

Der „einprägsamere“ Grundsatz

Die Diskussion steht im Zusammenhang mit einer älteren Entscheidung aus dem Jahr 2011, wo es im Wesentlichen den selben Sachverhalt zu beurteilen galt. Allerdings mit dem Unterschied, dass hier ein Verkehrsschild angebracht gewesen war, welches dem Autofahrer signalisierte, dass eine Radroute kreuzt.

Das Gefahrenzeichen § 50 Ziff. 16 StVO war an der Kreuzung beschildert, wo der Oberste Gerichtshof noch die Ansicht vertrat, dass hier die eindeutigere Vorrangregel des § 19 Abs. 4 StVO vorzugehen habe. Damals meinte der Oberste Gerichtshof, der jeweils „einprägsamere“ Grundsatz, also die eindeutigere Regel, habe Vorrang, wenn sich zwei Vorrangregeln widersprechen.

Quelle: Drahtesel