Radstationen sind praktisch!

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In den Niederlanden, Deutschland, Belgien und der Schweiz sind an vielen Bahnhöfen Fahrradstationen vorhanden, wo Fahrräder sicher abgestellt werden können und Dienstleistungen rund ums Fahrrad angeboten werden. Österreich ist in dieser Hinsicht ein Entwicklungsland.

Unter einer Fahrradstation (auch Radstation oder Velostation) ist nach niederländischen, deutschen und schweizer Vorbild eine Räumlichkeit zu verstehen, die zumindest drei Grundfunktionen erfüllt:

  • Kostenpflichtiges, bewachtes Abstellen von Fahrrädern in geschlossenen Räumen
  • Verleih von Fahrrädern
  • Reparaturservice für Fahrräder

Weitere Dienstleistungen, wie z.B. Verkauf von Fahrrädern, Ersatzteilen und Fahrradzubehör, touristische Informationen, Radrouteninformation, sind, je nach Lage und Größe, meist ebenfalls sinnvoll. Fahrradstationen befinden sich in der Regel an Bahnhöfen. Inzwischen gibt es aber auch Beispiele für zentral gelegene innerstädtische Standorte.

Vorteile

Eine Fahrradstation ist nicht nur ein wichtiges Element der Kombination von Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern auch eine unverzichtbare Serviceeinrichtung für den Radverkehr. Die wichtigsten Vorteile einer Fahrradstation für Radfahrende sind der Schutz vor Diebstahl und Vandalismus sowie wetterfeste Stellplätze. Auch für Gelegenheitsradfahrer bietet eine Fahrradstation Leistungen wie z.B. das Ausleihen eines Rades oder Kinderanhängers oder Informationen über das Fahrradfahren. Somit  besteht die Chance, neue Personengruppen für das Radfahren zu gewinnen.
Die Errichtung einer Fahrradstation bringt u.a. noch folgende Vorteile:

  • Fahrgastzuwächse für ÖV-Unternehmen
  • (Wieder-)Erbringung von (ehemaligen) Serviceleistungen an Bahnhöfen
  • Zunahme der Radnutzung
  • Besseres Service für RadfahrerInnen
  • Einsparung teurer Pkw-Stellplätze durch Reduzierung der Pkw-Nutzung
  • CO2-Einsparung und Reduktion von Lärm, Feinstaub und Abgasen
  • Belebung der Umgebung (Bahnhöfe, etc.)

Planung

Die Planung einer Fahrradstation ist für Österreich noch wenig bekannt. Nur die Radstation Hauptbahnhof Wien entspricht internationalen Vorbildern.
Für die erfolgreiche Planung von Fahrradstationen ist es empfehlenswert, die Bedürfnisse aller involvierten Partner einzubeziehen. Das sind typischerweise (Hauptakteure fett markiert):

  • Gemeinde, mit den betroffenen Organisationseinheiten
  • ÖV-Unternehmen im weiteren Sinne, z.B. ÖBB; aber auch Verkehrsverbund, Bahnhofsmanager, Last-/First-Mile-Manager (Multimodal-Spezialisten)
  • Betreiber der Fahrradstation, typischerweise ein Fahrradbetrieb und/oder Sozialprojekt
  • Bund und Land, soweit diese das Projekt finanzieren oder sonst das Projekt Teil einer deren eigenen Strategie sind
  • ansässige Betriebe (mit deren allfälligen Mobilitätsmanagern) und ihre Mitarbeitervertreter
  • Fahrgäste und Kunden der Betriebe der Umgebung
  • RadfahrerInnen

Nach internationalen Erfahrungen ist für ca. 30% der Bahnkunden das Fahrrad und damit auch die Fahrradstation ein Thema. Für ca. 50% der jetzt schon Rad fahrenden Pendler ist bei guter Qualität die Fahrradstation ein Thema. Ca. 12% der LenkerInnen der abgestellten Pendler-Pkws können als Neukunden für Bike+Ride gewonnen werden.
Etwa ab 1.000 Abstellplätzen und einer hohen Auslastung kann mit einer Kostendeckung gerechnet werden.
Generell gilt, dass jede Fahrradstation optimalerweise in ein Gesamtkonzept für das Radabstellen eingebettet sein sollte. Mindestens 50% der RadfahrerInnen werden auch bei attraktivster Fahrradstation lieber gratis (möglichst nahe am Ziel) das Fahrrad abstellen wollen. Die Situierung und Ausgestaltung der gratis Radparkplätzen entscheidet mit, ob die Fahrradstation ein Erfolg wird.
Sehr wichtig ist die Planung einer professionellen PR für die Fahrradstation. Nicht zu vergessen ist die große Bedeutung eines überdurchschnittlichen Engagements des Betreibers für den Erfolg der Fahrradstation.

Finanzierung und Kosten

Die bisher teuerste (und auch beste) Fahrradstation im deutschsprachigen Raum ist jene beim Hauptbahnhof Münster (www.radstation.de) mit mehr als 3.000 Abstellplätzen. Dieser komplette Neubau kostete ca. 7 Millionen Euro.
 
Die Investitionskosten tragen typischerweise die Verkehrsunternehmen (z.B. ÖBB) gemeinsam mit den Ortsgemeinden. Inzwischen bieten sich in Österreich eine Reihe an Fördertöpfen von Bund und Ländern an, wodurch erhebliche Teile der Investitionskosten abgedeckt werden könnten. Bei einem kompletten Neubau ist mit Investitionskosten von etwa € 2.000,- je Stellplatz zu rechnen.
 
Für den laufenden Betrieb hat in der Regel der konkrete Betreiber zu sorgen. Auch dazu gäbe es aber je nach Betreiber Förderungen z.B. aus dem Titel von Beschäftigungs- oder Sozialprogrammen. Die Räumlichkeiten werden dem Betreiber typischerweise mietfrei oder stark verbilligt zur Verfügung gestellt.
 
Die Standardpreise für das Einstellen eines Rades (in Wien) betragen € 2,- pro Tag, € 40,- für 3 Monate; € 105,- pro Jahr.

Dienstleistungen

Hier eine Auflistung von für größere Fahrradstationen typische Dienstleistungen:

  • Fahrradabstellen: nicht automatisiert und durch Personal kontrolliert, bzw. automatisiert z.B. für Stammkunden und in der Nacht.
  • Fahrradservice: Reparatur und Service (z.B. in der Früh gebracht am Abend abgeholt, 24-h-Service, Service auf Termin) für Nutzer und Nicht-Nutzer der Abstellanlage.
  • Radverleih: Verleih von Fahrrädern, Falträdern, Lastenrädern, Lasten- und Kinderanhängern, Kindersitzen. Die Verleih-Fahrräder sollen eine bessere Qualität als allfällig vorhandene Gratis-Leihradsysteme  haben.
  • Fahrradhandel: das typische Sortiment eines Fahrradgeschäftes mit Schwerpunkt Alltags- und Reiseräder. Fahrradersatzteile (z.B. Licht, Bremsschuhe, Ketten, Reifen, Schläuche), Fahrradzubehör (z.B. Schlösser, Körbe, Taschen, Regenbekleidung, Helme)
  • Routenplanung: persönliche Radrouten-Beratung (eventuell Zugang zu einem Computer mit dem Radroutensucher der jeweiligen Gemeinde) und Verkauf von Fahrradkarten und –führern, etc.
  • Radtouristik: Informationen über fahrradfreundliche Hotels, sonstige radtouristische Infos (z.B. Fahrrad-Stadtführungen). Infos für Fremde über alle radbezogene Dienste in und um der jeweiligen Gemeinde. Infos für Einheimische und Einpendler über Radtouristik national und international.
  • Gepäckservice: Gepäckaufbewahrung für Radtouristen und PendlerInnen. Gepäck- und Fahrrad-Nachsende- und Abholungs-Service für Radtouristen.

"Fahrradstationen" in Österreich

Die "Erste Fahrradstation Österreichs" in Graz ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Mit 275 doppelstöckigen und geschützten Abstellplätzen, Videoüberwachung, Fahrradverleih und einer öffentlichen Self-Service-Station wird den Grazer Radfahrenden einges geboten. Mit einer echten Fahrradstation darf aber diese gute, unbesetze Fahrradgarage nicht verwechselt werden.
Die fehlende Besetzung ist aber genau der springende Punkt. MitarbeiterInnen helfen Anfängern, sorgen für Ordnung und beseitigen schnell kleine technische Probleme in der Anlage. Nicht jeder Radler hat die Zeit oder auch die Fertigkeit selbst kleine Reparaturen am eigenen Rad auszuführen, ganz zu schweigen von der Verschmutzungsgefahr für die eigene Kleidung. Eine vollwertige Fahrradwerkstätte ermöglicht das in der Früh gebrachte Rad am Abend repariert abzuholen und bietet eine ausgezeichnete Mobilitätsgarantie!
Ein zweites Manko in Graz ist die fehlende Wegweisung im Bahnhofsgelände. Wenn man z.B. am Hauptbahnsteig steht, gibt es zwar ein Hinweis zum Fundbüro, nicht aber zur "Fahrradstation".
 
In Baden wurde im September 2009 die erste richtige Fahrradstation in Österreich mit einer Radgarage, Radservice, Radreparaturen und Radverleih eröffnet: Radstation Bahnhof Baden.
In Wien bietet seit 2016 die Radstation Wien Hauptbahnhof 550 überwachte Kurz- und Dauerparkplätze für Fahrräder. Neben den Parkplätzen bietet die Radstation auch eine Werkstatt und einen Shop für Fahrräder und Zubehör.

In der Radstation Hauptbahnhof Bike & Ride Anlage Schallmoos in Salzburg stehen Radfahrenden 600 überdachte Radstellplätzen und 64 Radboxen mit elektronischer Steuerung zur Verfügung. Die Abstellanlagen können kostenlos benutzt werden. Die Radboxen werden an Bahnkunden vermietet.

Ausblick

In der Schweiz gibt es rund 100 Velostationen, verteilt auf etwa 50 Gemeinden. Die größte Radstation Deutschlands ist die Radstation Münster am Hauptbahnhof Münster. Diese stellt Radfahrenden 3.300 Plätze zur Verfügung. Das niederländische Utrecht hat seit 2019 das größte Fahrradparkhaus der Welt mit 12.500 Plätzen. In Amsterdam wurde 2023 die oberirdische Fahrradstation durch ein unterirdische, unter Wasser liegendes Fahrradparkhaus mit 7.000 Stellplätzen eröffnet.

Es ist zu hoffen, dass auch in Österreich Fahrradstationen systematisch errichtet werden. Das Potenzial für Radstationen ist heute bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Im Zuge der Bahnhofsoffensive der ÖBB wurde diese hochwertigste Form des Radabstellens bisher noch zu wenig berücksichtigt.

Begriff Fahrradstation

Im deutschsprachigen Raum gibt es lediglich drei Ausdrücke, die die Dienstleistungen Parken, Reparatur/Service und Verleih meinen, und zwar Fahrradstation, Velostation und Radstation. In Nordrhein-Westfahlen gibt es sogar einen eigenen Markenbegriff mit einem geschützen Logo.

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Leider werden Begriffe wie Fahrradparkhaus, Fahrradgarage oder Radgarage, die nur Abstellmöglichkeiten bezeichnen, oft fälschlicherweise einer Fahrradstation gleichgesetzt.

Links und Dokumente