Radfahren in der Lobau hat eine lange Tradition, wurde jedoch durch Maßnahmen im Sommer 2023...
Wiens Einbahnen: Analyse 2020
In Einbahnstraßen können Radfahrende von der vorgeschriebenen Fahrtrichtung ausgenommen werden. Diese sehr weit verbreitete und einfache Maßnahme ist ein Bestandteil der Stadt der kurzen Wege und erleichtert Wege mit dem Fahrrad enorm. Die Radlobby Wien hat 2015 und 2020 alle Einbahnen in Wien analysiert und veröffentlicht hier eine Bilanz.
Navigation:
Einleitung
1986 wurde in Wien die allererste Einbahn für den Radverkehr geöffnet. Passender Weise war es die Frankenberggasse im 4. Bezirk, wo sich noch heute unser Shop befindet. Im Jahr 2000 waren insgesamt etwa 100 km Einbahnen in Wien geöffnet, 2020 sind nun etwa 354 der 813 Einbahnkilometer Wiens geöffnet.
Ausnahmen von der Einbahnregelung in geöffneten Einbahnen werden mittels einer Zusatztafel („ausg. Radfahrer“) an beiden Enden der Straße („Einbahn“ und „Einfahrt verboten“) kundgemacht. In Wohnstraßen ist das Radfahren in beide Richtungen erlaubt, unerheblich von der Einbahnregelung. Oft sind als Hinweis auf den Zweirichtungsverkehr zusätzlich Bodenmarkierungen (Radpiktogramme, Pfeile, tlw. Warnlinien) angebracht.
Entgegen mancher Behauptungen ist Radfahren gegen die Einbahn eine sehr sichere Anlageart. Die VerkehrsteilnehmerInnen sehen einander und können sich so – ohne Überraschung - der Situation angepasst verhalten. Besondere Vorsicht ist bei Kreuzungen angebracht: hier gilt im Regelfall der Rechtsvorrang (örtliche Verkehrszeichen können etwas anderes besagen), andere Fahrzeuglenker achten – trotz Zusatztafel bzw. Bodenmarkierungen etc. – nicht immer auf den Zweirichtungsverkehr in der Einbahnstraße.
Einbahnen generell öffnen
Zur Förderung des Radverkehrs gehört auch das Öffnen der Einbahnen. Dies ist eine einfache Maßnahme, Radverbindungen in Wien feinmaschiger und somit direkter zu machen. Dies erhöht auch die Sicherheit, da geöffnete Einbahnen vor allem in Kfz-verkehrsberuhigten Bereichen abseits von Hauptstraßen anzutreffen sind.
Von den mehr als 800 Kilometer Einbahnen in Wien sind nur 350 Kilometer für Radfahrende zum Befahren in beide Richtungen geöffnet. Dadurch müssen, gerade auf kürzeren Strecken im Grätzl, teilweise unverhältnismäßig große Umwege in Kauf genommen werden. Die Radlobby Wien fordert, jährlich 75 Kilometer Einbahnen für den Radverkehr zu öffnen. So können bis 2025 90% aller Einbahnstraßen im untergeordneten Straßennetz geöffnet werden. Hier die Verkehrswende-Petition Platz für Wien unterzeichnen: Platz für Wien!
Die Radlobby Wien hat Ende 2015 und Anfang 2020 eine Analyse aller Wiener Einbahnen durchgeführt und präsentiert im Folgenden die Ergebnisse. Danke an dieser Stelle an alle OpenStreetMap(OSM)-Mitwirkenden, die Stadt Wien sowie an unsere Aktivisten, im besonderen Markus Straub, der bei dieser Analyse tatkräftig unterstützte.
Einbahnanalyse 2015-2020
In der Radlobby-Analyse aller Wiener Einbahnen wurde auf digitale geografisch verortete Datensätze der Straßenzüge, der Einbahnen sowie der Radverkehrsanlagen zurückgegriffen. (OSM bzw. MA46) Die Merkmale für jeden einzelnen Straßenzug wurden in einer GIS-Software (Geoinformationssystem) verschnitten und pro Bezirk wurde daraus die Gesamtlänge zweier Straßentypen in Kilometern ermittelt.
Methodik:
Es wurden nur Einbahnen im untergeordneten Straßennetz berücksichtigt - also das Straßennetz ohne Hauptstraßen, Nebenfahrbahnen u.ä, aber inklusive Begegnungszonen aber exklusive Wohnstraßen und Straßen mit getrennten Richtungsfahrbahnen. Wohnstraßen wurden ausgenommen weil Radfahren gegen die Einbahn laut StVO immer gestattet ist. Auch Richtungsfahrbahnen sind keine "echten" Einbahnen aus Sicht dieser Analyse da sie zu keinen vergleichbar großen Umwegen führen.
Als geöffenete Einbahn wurde eine Straße berücksichtigt, die eine Einbahn laut obiger Definition ist und das Radfahren in beiden Richtungen erlaubt. In den meisten Fällen findet das Radfahren gegen die Einbahn auf der Fahrbahn statt, es wurden aber auch parallel geführte bauliche Radwege oder Geh-&Radwege gezählt.
Die Ergebnisse wurden in mehreren Iterationen berechnet, gesichtet und in vielen Stichproben überprüft. Kartenfehler wurden bereits in der OSM korrigiert bzw. an die MA46 zurückgemeldet und die Analyse aktualisiert. Die hier veröffentlichten Zahlen können mit Stand 07/2015 bzw. 02/2020 erfahrungsgemäß als sehr vollständig bezeichnet werden.
Wienweit hat gab es 2015 etwa 266 km geöffnete Einbahnen, bis 2020 beträgt dieser Wert 354 km. In Wien hat sich der Anteil der geöffneten Einbahnen zwischen 2015 und 2020 von 34 auf 44 Prozent erhöht.
Vergleich der Bezirke 2015-2020
Aus den beiden Gesamtlängen der Einbahnen und geöffneten Einbahnen (s.o) wurden bezirksweise drei Ergebnisse berechnet.
- Einbahnen in Kilometern
- Anteile der Einbahnkilometer
- Anteile der geöffneten Einbahnen (Bezirksreihung)
In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse in Grafiken dargestellt und Schlüsselerkenntnisse kommentiert. Die Zusammenfassung finden Sie im Fazit.
Einbahnen in Kilometern
In dieser Grafik sind die absoluten Längen der Einbahnen nach Bezirken abgebildet; unterteilt in geöffnet (2015), geöffnet (2015-20) und nicht geöffnet (2020).
Gut erkennbar sind die drei Flächenbezirke Floridsdorf, Donaustadt und Liesing mit je über 60 Einbahnkilometern. Transdanubien weist pro Bezirk jedoch etwa 45 km geöffnete Einbahnen auf, während es in Liesing bloß etwa 13 sind. Bemerkenswert sind auch die Längen in Favoriten. Insgesamt gibt es hier mehr Einbahnen als in jedem anderen Bezirk, gleichzeitig hat auch kein anderer Bezirk so viele nicht geöffnete Einbahnkilometer.
Favoriten hat so viele nicht geöffnete Einbahnen wie die Bezirke 2, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 18 und 20 zusammen! Die wenigsten geöffneten Einbahnen gibt es auch in Döbling, knapp gefolgt von der Brigittenau, Simmering und Penzing. Diese Außenbezirke haben sogar weniger Einbahnen geöffnet als vergleichsweise kleine Innenbezirke wie Wieden, Margareten, Mariahilf, Neubau und Josefstadt.
Die Brigittenau weist insgesamt – trotz ihrer Größe – relativ wenige Einbahnen auf; nur etwa halb so viele wie der Nachbarbezirk Leopoldstadt. Die Landstraße hat mit über 40 Kilometer die meisten Einbahnen aller Innenbezirke.
Anteile der Einbahnkilometer
In dieser Grafik sind die relativen Anteile der Einbahnkilometer abgebildet; ebenfalls unterteilt in geöffnet (2015), geöffnet (2015-20) und nicht geöffnet (2020). 100% = Alle Einbahnen im untergeordneten Straßennetz (s.o.).
Den höchsten Anteil an geöffneten Einbahnen hatte lange Zeit der Alsergrund. Bis 2020 aber wurde er von den beiden Durchstartern Währing und Leopoldstadt überholt – diese haben nun knapp die Führung übernommen.
Den geringsten Anteil an geöffneten Einbahnen hatte 2015 und 2020 Döbling; knapp gefolgt von Favoriten und Liesing. Hier ist bloß einer von zehn Einbahnkilometern geöffnet, in Favoriten und Liesing bloß zwei von zehn. In den hinteren Reihen stehen die Bezirke Penzing, Simmering, Hernals und Brigittenau. Hier sind typischerweise weniger als vier von 10 Einbahnkilometern geöffnet.
Gut erkennbar sind die Innenbezirke 1 bis 9 in der linken Hälfte, die – bis auf Wieden – mit einem Anteil von über 50% an geöffneten Einbahnen glänzen. Mit knapp 60 Prozent geöffneten Einbahnen punkten auch die Bezirke Floridsdorf und Donaustadt – das jahrelange Wirken der Radagenda 22 zeigt sich hier merkbar.
Anteile der geöffneten Einbahnen (Bezirksreihung)
Anteile der geöffneten Einbahnen in den Bezirken 2015 und 2020
In dieser Grafik ist der Anteil der geöffneten Einbahnen pro Bezirk abgebildet; 100% = Alle Einbahnen im untergeordneten Straßennetz (s.o.). Im Durchschnitt aller Bezirke hat sich wienweit der Anteil der geöffneten Einbahnen zwischen 2015 und 2020 um ca. 10 Prozentpunkte - von 36 auf 46 Prozent erhöht; ungewichtet von 34 auf 36 Prozent wienweit.
Den höchsten Anteil an geöffneten Einbahnen hatte lange Zeit der Alsergrund (66%). Zwischen 2015 und 2020 aber wurde er von den beiden Durchstartern Währing und Leopoldstadt überholt. Der Alsergrund liegt nun auf Platz 3 mit 68%.
Glanzlichter: Währing startete von niedrigen 34% und legte in nur 5 Jahren beeindruckende 39 Prozentpunkte zu. Alleine schon dieser Zuwachs ist höher als der heutige Anteil in den Bezirken 19, 10, 23, 14, 11, und 17. Mit 73% führt Währing das Bezirksranking an; gefolgt von der Leopoldstadt. Der zweite Bezirk hat ebenfalls eine Aufholjagd hinter sich. 2015 startete er von mittelprächtigen 53%, ließ die Bezirke 6, 21, 7 und 9 hinter sich und erklomm den zweiten Platz mit insgesamt 69%, einer Steigerung von 16 Prozentpunkten. Auf sehr niedrigem Niveau (14%), aber ebenfalls aufsteigend zeigt sich Simmering mit nun 32% Anteil geöffneter Einbahnen; ein Zuwachs von 18 Prozentpunkten.
Hinweis: Im Untersuchungszeitraum wurden im 18. Bezirk einige geöffnete Einbahnen statt allgemeinem Zweirichtungsverkehr eingeführt. Um diese Entwicklung bereinigt zeigt unsere Analyse einen Anteil von 65% im Jahr 2020 und damit noch immer stolze 31 Prozentpunkte Zuwachs in nur 5 Jahren.
Durchschnittlich: Im wienweiten Trend von ~10 Prozentpunkten Zuwachs finden sich absteigend die Bezirke 3, 8, 1, 12, 4, 15 und 14 wieder. Leicht überdurchschnittlich zeigt sich der Zuwachs in den Bezirken 16, 17 und 22; alle drei haben sehr aktive Radlobby-Bezirksgruppen.
Nachlässig: Unterdurchschnittlich stellt sich die Entwicklung (absteigend) in den Bezirken 9, 7, 21, 6, 5, 20, 13, 23, 10 und 19 dar. Während sich die erstgenannten Alsergrund, Neubau, Floridsdorf Mariahilf und Margareten anscheinend auf ihren Anteilen von über 50% ausrasten, geht in den Bezirken Brigittenau und Hietzing bei rund 40% wenig voran. Weit abgeschlagen findet man die Bezirke Liesing, Favoriten und Döbling wieder. Hier gibt es wenige geöffnete Einbahnen und es werden kaum Öffnungen vorgenommen.
Fazit
Insgesamt hat sich der Anteil an geöffneten Einbahnen in den letzten fünf Jahren merkbar von 34 auf 44 Prozent erhöht. Das ist erfreulich und gleichzeitig auch das Niveau bedauerlich. Nicht einmal die Hälfte aller Einbahnen sind geöffnet. Das verursacht unnötige Umwege und hemmt das Radverkehrswachstum.
Dass es anders geht, zeigte bereits die belgische Hauptstadt Brüssel: Ab 2004 wurden sämtliche 493 Kilometer Einbahnen der Stadt überprüft und bis 2011 insgesamt 404 Einbahnkilometer geöffnet. Das sind 80% der Einbahnen in nur 7 Jahren. Seither sind noch einige mehr dazugekommen.
In Wien ist etwa die Hälfte der Wiener Bezirke ist äußerst nachlässig beim Thema Kurze Wege durch Einbahnöffnung und gerade dort gilt es jetzt aktiv zu werden, um bis 2025 den Anteil an geöffneten Einbahnen deutlich zu heben.
Ohne Druck aus der Bevölkerung wird es in manchen Bezirken zu keiner Verbesserung kommen. Auch aus diesem Grund ist es jetzt an der Zeit für #PlatzfürWien.
In Ihrem Bezirk besteht Handlungsbedarf? Werden Sie aktiv!
- Als BürgerIn: Wenden Sie sich an die Bezirksvorstehung mit Ihrem Anliegen. Diese ist in aller Regel für die Öffnung von Einbahnen zuständig. Vernetzen Sie sich mit Gleichgesinnten und der Radlobby-Bezirksgruppe in Ihrem Bezirk und kommen Sie zum Radlobby Wien JourFixe! Unterschreiben Sie jetzt die Verkehrswende-Petition Platz für Wien!
- Als PolitikerIn: Haben Sie z.B. schon die Untersuchungen aller Einbahnen „kartographisches Konzept Radfahren gegen die Einbahn“ MA46 bzw. die Spezialuntersuchung für schmale Querschnitte „Studie Sternwartestraße“ der MA46 vorliegen bzw. angefordert? Ist zu jeder Einbahn im Bezirk bekannt mit welchen Begleitmaßnahmen sie geöffnet werden kann? Ein politischer Grundsatzbeschluss zu einer Quote von jährlich neu geöffneten Einbahnen kann ein entscheidender erster Schritt sein.
Nehmen Sie Kontakt mit der Radlobby-Bezirksgruppe in Ihrem Bezirk auf und besprechen Sie die weitere Vorgangsweise für mehr Einbahnöffnungen! - Als Beamte und Professionisten: Sehen Sie besonderen Handlungsbedarf in gewissen Gebieten? Oder wollen Sie uns innovative Ideen sowie Schlüsselinformationen zukommen lassen? Wenden Sie sich an das Büro der Radlobby Wien unter wien@radlobby.at bzw. 01 919 50 19
Diese Analyse wird ermöglicht durch Ihre Mitgliedschaft – Hier jetzt Mitglied der Radlobby Wien werden: www.radlobby.at/mtg