Manu Delago: Mit dem Rad auf Tour

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Das Band-Tourleben ist normalerweise weder besonders gesund, noch klimaschonend: Mit Bus oder Flugzeug von einem Gig zum nächsten, ergo wenig Bewegung und viel CO2 Emission. Der Tiroler Komponist und Perkussionist Manu Delago wollte
es mal anders machen – und tourte mit Fahrrad und Anhänger durchs Land.

Aktive Mobilität 

Während einer Konzert-Tour ging Manu Delago normalerweise jeden Morgen joggen, um für sich einen Ausgleich zu schaffen. Während er die frische Luft einatmete und die Bewegung genoss sinnierte darüber, wie viel cooler es doch wäre, könnte er sich aktiv mit seinem Equipment von einem Ort zum nächsten bewegen. Am Ende des Denkprozesses stand die erste erfolgreiche Fahrrad-Konzert-Tour Österreichs: Auf der Manu Delago Recycling Tour radelten Manu und seine fünf Team-Mitglieder insgesamt 1600 km quer durch Österreich und spielten rund 125 Konzerte. Das gesamte Equipment führten sie in Anhängern mit, die mit Solar-Panelen ausgestattet waren, um die insgesamt 45 kg schweren mitgeführten Batterien zu laden. Über 100 km und teilweise über tausend Höhenmeter legte der Trupp am Tag zurück. „Anfangs dachten wir, es wäre besser, kürzere Strecken zu fahren, aber dann hat sich heraus gestellt, dass es mehr Sinn macht, lange Etappen durchzuziehen und danach einen Tag Pause zu machen“ erzählt Delago. Die Erlebnisse wurden über Social Media mittels Videobeträgen, Fotos und Live-Tracks geteilt. 

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Corona-Hürden

Bereits 2020 hätte die Tour starten sollen, doch Corona schob dem Plan einen Riegel vor. Genau 364 Tage später radelten die sechs Männer zwischen 30 und 36 dann tatsächlich los. „Wir haben die Tour genau um ein Jahr minus einen Tag verschoben, damit alle Tage gleich bleiben und wir niemanden bevorzugen oder benachteiligen“. Es sei nicht leicht gewesen, mitten in der Pandemie zu starten, Corona sei für ihn tatsächlich die größte Hürde der gesamten Tour gewesen. Die Planung war schwierig, man schwebte ständig in Ungewissheit, Veranstalter mussten ausgemachte Konzerte absagen oder auf andere Orte verlegen. Auch das mangelnde Live-Publikum trug nicht gerade zur Motivation bei. Auf den ersten 700 Kilometern konnte kein einziges Konzert vor Publikum stattfinden, erst am 19. Mai spielte man im Wiener Stadtsaal vor realen Menschen. Bis dahin streamte man aus den Konzertorten und bespielte Kühe, Schafe und Schweine, die man entlang des Weges traf, um zumindest irgendwelche realen Zuschauer zu haben. „Das hat aber nicht so gut funktioniert, die sind meistens davon gelaufen“ lacht Delago.  

Klimaschutz jetzt 

Auf die Frage, warum man sich trotzdem dazu entschlossen habe, jetzt zu fahren, hat der gebürtige Tiroler eine klare Antwort: „Der Klimaschutz kann nicht warten! Das muss jetzt passieren. Wir wollten die Kultur feiern und nicht warten lassen. Wir wollten handeln.“ 
Neben den coronabedingten Hürden gab es für Delago auch eine große persönliche: Er kämpfte mit den Folgen eines früheren Bandscheibenvorfalls und war von extremen Rückenschmerzen geplagt. „Ich habe täglich Schmerztabletten genommen, hatte jeden Morgen vor´m Losradeln Physio-Therapien, was natürlich auch schwierig war, weil wir ja jeden Tag wo anders waren. In Wien war ich im Krankenhaus und habe Spritzen bekommen. Teilweise musste ich Abschnitte mit dem Zug zurücklegen. Von Wien bis Klagenfurt bin ich ohne Hänger gefahren, da haben dann die anderen das Gewicht untereinander aufgeteilt“. Der Teamspirit sei für ihn berührend gewesen: „Da haben sich wirklich alle gegenseitig geholfen“. Erfolgreich geholfen hat übrigens auch die Radlobby Melk: „Uns ist zwischen Linz und Melk eine Anhängerkupplung gebrochen und ich bin über Umwege auf die Radlobby Melk gekommen, die mir tatsächlich die passende Kupplung geschenkt hat und mich mit Kuchen und Café gestärkt. Die Rad Community ist echt toll!“ schwärmt Delago. 

Berg- und Talfahrt

Der schwerste Abschnitt der Strecke war für ihn übrigens Graz-Wolfsberg: 80 km und 1400 Höhenmeter im strömenden Dauerregen. Sein persönliches Highlight stellt die Sauna im Hotel in Brixen dar: „Wir sind an dem Tag von Ost- nach Südtirol gefahren, 115 km und 800 Höhenmeter. Genau um 19:00 Uhr, als die Sauna offiziell geschlossen hat, sind wir im Hotel angekommen und konnten die Crew überzeugen, dass sie noch für uns offen lassen. Das haben wir dann sehr genossen“
Dass das Rad für ihn das beste Fortbewegungsmittel ist, steht außer Frage: „Es ist eine Mobilitätsform, die einfach sinnvoll für´s Klima ist. Sie ist CO2 frei, sie macht keinen Lärm, sie stinkt nicht und steigert die Lebensqualität für alle“. Im Alltag sei er selbst fast nur mit dem Fahrrad unterwegs, Auto besitzt er keines. „Ich pendle aber halt zwischen meinen beiden Wohnsitzen Tirol und London – und das geht mit dem Rad leider nicht. Da hab ich eh jedes Mal ein schlechtes Gewissen“. 

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Frauenmangel 

Dass keine Frau Teil des Teams war, bedaure er im Übrigen sehr. Er habe versucht, ein weibliches Teammitglied für sein Projekt zu begeistern, es sei aber sehr schwer gewesen. „Wir haben das viel besprochen. Es gibt generell extrem wenige Frauen im Bereich Ton, Licht, Technik und Kamera – dann auch noch eine zu finden, die so rad-affin ist, dass sie sowas mitmacht, hab ich leider nicht geschafft. Es gab ursprünglich eine Frau mit an Bord, aber die konnte dann doch nicht. Und ich wollte nicht zu weit ausholen und Frauen fragen, die ich nicht kenne. Mir war schon auch wichtig, dass ich weiß, mit wem ich da unterwegs bin“. Man habe allerdings immer wieder Gastmusikerinnen eingeladen, teilweise haben diese den Trupp auch ein Stück weit mit dem Rad begleitet. 

Umdenken

Generell brauche es noch viel Umdenken in der Gesellschaft, findet Delago, gerade was Rollenbilder und Gender-Klischees anbelangt, aber auch was Klimaschutz und Abfallvermeidung angeht. „Wir haben uns beispielsweise auf der ganzen Reise vegetarisch ernährt und stets eine Lunchbox dabei gehabt, um Abfall zu vermeiden. Großteils wurden wir von der heimischen Bevölkerung verköstigt. Eine Dame, die für uns gekocht hat, war ganz irritiert und fragte: `Wo sind die Frauen? Ihr seid doch vegetarisch!`- also für die war das vollkommen unverständlich, dass Männer kein Fleisch essen“. So sei es in vielen anderen Bereichen auch. „Da sind noch ganz starke Genderbilder verankert und Muster müssen aufgebrochen werden. Man muss da schon bei den Kindern ansetzen, ihnen gleiche Chancen und Angebote bieten und die individuellen Interessen fördern“. 

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Positive Signale

Nicht zuletzt deshalb sei Delago seine Recycling Tour so ein großes Anliegen gewesen. „Wir wollen die Menschen zu einem nachhaltigeren Lebensstil inspirieren, nicht mit dem Finger zeigen, aber aufklären. Es braucht mehr Bewusstsein, nicht nur bezüglich Mobilität sondern auch bezüglich Ernährung. Gerade in der Musikindustrie braucht es mehr Aufmerksamkeit, was den CO2 Abdruck angeht. Wir wollen positive Signale senden, das Fahrrad als Fortbewegungsmittel und als Genussmittel promoten und ein Zeichen für´s Radfahren setzen. Radfahren geht einfach immer. Je mehr Menschen wir erreichen desto besser. Wir wollen den Menschen mit unserer Tour Mut machen, einfach zu handeln und nicht zu warten. Man darf sich nicht bremsen lassen. So wie wir: Es war schwer, aber es war wichtig“.

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