Urteil rechtskräftig: Klage gegen Lastenradfahrer abgewiesen

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Dies ist eine aktualisierte Version des Artikels vom 17. Juli 2021 und beinhaltet Neuigkeiten zum Urteil, das Ende November 2021 rechtskräftig wurde.
 

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Lastenräder (Cargobikes) boomen – nicht nur in Graz, sondern in vielen Städten europaweit. Sie sind ein wesentlicher Mosaikstein auf dem Weg zur Verkehrswende. Deshalb wird ihre Anschaffung auch vielfach gefördert. Die Stadt Graz, die sich gerne selbst als Fahrradstadt bezeichnet, klagte im Juni 2021 einen Grazer auf Unterlassung (Streitwert 6000 Euro), weil er sein Lastenrad auf der Straße abstellt. Die Klage wurde vom Gericht abgewiesen. Das Urteil wurde Ende November 2021 rechtskräftig.

Nach § 23. Absatz 2. StVO dürfen Fahrzeuge, dazu zählen auch Fahrräder, „am Rand der Fahrbahn und parallel zum Fahrbahnrand“ geparkt werden, „sofern sich aus Bodenmarkierungen oder Straßenverkehrszeichen nichts anderes ergibt“. Lastenräder sind Fahrräder und dürfen also z. B. in der blauen Zone in Graz kostenlos abgestellt werden. Die Parkgebührenverordnung (ParkGebV 2006) der Stadt Graz gilt ausdrücklich nur für „mehrspurige Kraftfahrzeuge“. Auch Mopeds, Vespas oder Motorräder müssen in der blauen oder grünen Zone in Graz kein Parkticket lösen, da es sich um einspurige Kraftfahrzeuge handelt.

XYZ-Lastenrad beim Ringradeln

XYZ-Lastenrad beim Ringradeln, von Radlobby ARGUS Steiermark

Die Argumentation der Stadt Graz gegen den Lastenradfahrer: Eines seiner Räder lässt sich per Ständer aufbocken. Das funktioniert ähnlich wie bei vielen Motorrädern oder Mopeds, die mit einem Mehrpunktständer abgestellt werden können. In der Klage heißt es „[erst] wenn man die beiden Ständer hochklappt, wird das Objekt zum Fahrzeug“. Der Grazer meint dazu: „Dann wären alle Motorräder in Graz, die mit einem Zweipunktständer abgestellt sind, keine Fahrzeuge mehr.“

Mittlerweile fahren in Graz geschätzt 1000 Lastenräder, für 500 davon wurde vom Umweltamt der Stadt Graz eine Förderung gewährt. Paradox, dass der erste Verhandlungstag ausgerechnet am Tag nach einem Festtag für Lastenräder in Graz stattfand: Am 14. Juli veranstaltete das Umweltamt noch die Cargobike Roadshow, bei der zwölf verschiedene Lastenradmodelle getestet werden konnten, mit anschließendem Lastenradcorso, am Tag darauf wird von der Stadt Graz gerichtlich gegen diese neuen Möglichkeiten der Mobilität vorgegangen.

Für den 32-jährigen gehören Lastenräder schon seit längerer Zeit zu seinem Leben. Er sieht es als Herausforderung, alle Wege in Graz mit dem Fahrrad zurückzulegen, auch größere Transporte – wie z. B. Möbel – sind mit seinem großen Lastenrad problemlos möglich, es sei nur eine Frage der Kondition.

 

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Klagsschrift - Faksimile

Über aktuelle Entwicklungen berichtet er über Facebook: https://www.facebook.com/lastenradfahrer Dort hat sich beispielsweise eine spannende Diskussion zum Thema Fahrradparken entwickelt (in unserem ursprünglichen Artikel zum Thema nachzulesen, den wir auf eine andere URL umgesiedelt haben). Auch vom Urteil des Bezirksgerichts Graz West berichtet er dort: Die Klage wurde Ende Oktober 2021 abgewiesen. Rechtskräftig war das Urteil damit allerdings nicht: Die Stadt Graz meldete prompt Berufung an. Nun ließ die Stadt Graz die Frist zur Einreichung der Berufung verstreichen, sodass mit Ende November das Urteil auch rechtskräftig wurde.

So hält das Bezirksgericht Graz-West u. a. fest:

  • "Bei den klagsgegenständlichen Gefährten handelt es sich um Fahrräder iSd § 2 Abs 1 Z 22 StVO."
  • "Die Ausstattung der Fahrzeuge des Beklagten mit zwei abklappbaren Ständern, mit denen die Gefährte auf vier Punkten fixiert werden, spricht den Fahrzeugen nicht die Qualifikation als Fahrrad ab."
  • "Der bestimmungsgemäße Zweck einer Straße ist die Raumüberwindung, welche dem Fußgänger oder Fahrzeugverkehr dient."
  • "Der Umstand, dass der Beklagte auch auf der Ladefläche des Fahrzeugs gelegentlich sitzt und auch konsumiert, stellt keine über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung dar, somit liegt auch kein Eingriff in das Eigentumsrecht der Klägerin vor."

Das gesamte Urteil ist hier nachzulesen. Die Klagsschrift sowie weitere Dokumente befinden sich am Ende dieses Artikels.

Die Radlobby ARGUS Steiermark ist mit dem Urteil zufrieden, wie Obfrau Heidi Schmitt erläutert: "Parkplätze sind nicht dem Kfz vorbehalten. Wir freuen uns, dass das Gericht unsere Einschätzung teilt und nun alle Lastenradfahrer*innen in Graz aufatmen können und beruhigt ihr Rad, wie es die StVO erlaubt, auf normalen Parkplätzen auch in Graz parken können ."

Viele Spenden hatte der Lastenradfahrer als Unterstützung für die Prozesskosten erhalten. Diese überweist er auf Wunsch der Spender*innen zurück. Mit dem verbleibenden Geld wird er neue Lastenfahrräder, vor allem zum Transport von Möbeln, anschaffen und kostenlos über www.das-lastenrad.at verleihen.

 

Dokumente & Chronologie:

<<29.10.2021: Urteil des Bezirksgericht Graz-West (Klagsabweisung)>>

<<3.9.2021: Stellungnahme des Verteidigers zur Klagsabweisung durch das Gericht>>

<<17.7.2021: Stellungnahme der Radlobby ARGUS Steiermark>>

<<29.7.2021: Solidaritätsveranstaltung>>

<<8.7.2021: Gegendarstellung des Beklagten>>

<<17.6.2021: Klagsschrift der Stadt Graz>>

 

 

 

 

 

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