Radlobby-Testfahrt: Radmitnahme im neuen Zug "Cityjet"

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Ein Testteam der Radlobby hat den neuen ÖBB-Nahverkehrszug Cityjet in der S-Bahn-Variante auf seine Radmitnahme-Tauglichkeit überprüft. Insgesamt bietet er zwölf barrierefrei erreichbare Fahrradabstellplätze in zwei Mehrzweckabteilen an den jeweiligen Zugenden. Das Fazit der TesterInnen Margit Palman, Christoph Bayer und Patrik Hladschik: Ein komfortabler und eleganter Zug mit guten Fahreigenschaften, dessen Fahrradplätze aber größer dimensioniert sein sollten. Auch die Kennzeichnung, wo sich die Radabteile befinden, wäre durch größere Radsymbole am Zug verbesserungswürdig.

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Radpiktogramm am Fenster des Cityjet

Neue Cityjet-Garnituren für den Nahverkehr

Seit Ende 2015 ist der ÖBB Cityjet unterwegs. Er wird schrittweise in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark eingeführt, in zwei Versionen: Die Garnituren für Regionalzüge haben 259 Sitzplätze, 4 Einstiege pro Seite und 18 Fahrradplätze. Für den S-Bahn-Betrieb -  vor allem im Wiener Raum - kommen Garnituren mit 244 Sitzplätzen, 6 Einstiegen pro Zugseite und 12 Fahrradplätzen zum Einsatz. Dieser neue Nahverkehrszug punktet laut ÖBB "mit modernster Technik, exklusiver Inneneinrichtung und ansprechendem Design. Mit dem ÖBB Cityjet gehen wir auf unterschiedliche Bedürfnisse der Fahrgäste ein. Eine Servicezone bietet Raum für Rollstuhlfahrer/innen, Kinderwägen und Fahrräder." Ein Radlobby-Testteam hat sich diese Servicezone genauer angesehen, hier ihr Bericht:

Wir beginnen unsere Probefahrt am Zentralfriedhof und sehen den optisch ansprechenden Cityjet einfahren. Wie für einen modernen Zug üblich sind die Einstiege barrierefrei: ebenerdig und ohne Stufen zugänglich. Bei unserer ersten Probefahrt fällt uns das Auffinden der Fahrradabteile (bzw. die Mehrzweckabteile mit den Stellplätzen für Fahrräder, Kinderwägen und Rollstühlen) schwer, da die Fahrrad-Piktogramme viel zu klein sind. Aus diesem Grund müssen wir bei der nächsten Station aussteigen und zur richtigen Türe laufen.

Bei näherer Begutachtung des Zuges haben wir aber auch gemerkt, dass es sowohl bei der ersten, als auch bei der letzten Türe des Zuges ein Abteil für Fahrräder gibt. Es entfällt die Problematik, die bei den älteren Schnellbahn-Garnituren vorhanden ist: Dadurch, dass es nur ein Fahrradabteil am Anfang des Zuges gibt, die Züge jedoch in zwei Richtungen fahren, ist die Lage des Fahrradabteiles am Bahnsteig unterschiedlich und vor dem Einfahren des Zuges nicht bekannt.

Insgesamt gibt es beim Cityjet in der S-Bahn-Version zwölf Fahrradabstellplätze, die aber vorrangig für Rollstühle und Kinderwägen gedacht sind. Die Fahrradabteile sind mit einer Länge von nur drei Klappsitzen zwar für unsere Fahrräder geeignet, Fahrradanhänger müssten aber abgekuppelt werden. Auch etwas längere oder breitere Räder (z.B. Lastenräder, Liegeräder) können nur mitten im Gang stehen.

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Der Radmitnahmeplatz ist mit drei Normalrädern mehr als ausgelastet, es gibt keine Beinfreiheit mehr für den angrenzenden Sitzpatz.

Der Fahrradgurt ist etwas kurz, wenn ein Fahrrad mit einer Satteltasche ausgerüstet ist, wie bei uns, dann kann man das dritte Rad nur noch mit viel Mühe montieren. Bei zwei Satteltaschen wäre dies vermutlich schon bei zwei Fahrrädern schwierig. Darüber hinaus ist der Fahrradgurt versteckt bzw. nicht gut sichtbar angebracht. Die farbigen Plastikschlaufen, welche es in älteren Zügen gibt, sind auch auffindbar, wenn diese gerade nicht benutzt werden. Zumindest ein auffälliges (großes, z.B. gelbes) Piktogramm mit Pfeil auf den Gurt, wo sich die Gurte zum Befestigen der Räder befinden, ist anzuraten. Der vorhandene Hinweis, zur Befestigung des Fahrrades befindet sich auf der Unterseite eines Klappsitzes, sodass dieser, ebenso wie der sich darunter befindende Gurt, nicht gesehen wird, wenn der Sitz besetzt ist.

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Der Fixiergurt für Radmitnahme könnte länger sein.

Bei der ersten und letzten Türe des Cityjets gibt es eine Spaltüberbrückung (eine Art ausfahrbares Brett) von der Türe zum Bahnsteig, bei den anderen Türen ist der Spalt zwischen Türe und Bahnsteig jedoch noch breiter, als bei anderen Fahrzeugen, was nicht nur für RadfahrerInnen, die dort (mangels Kenntnis über die Lage der Fahrradabteile) einsteigen, sondern insbesondere auch für KinderwagenbenutzerInnen problematisch ist.

Wenn man bei der falschen Türe einsteigt kann man das Fahrradabteil nicht mehr erreichen, weil die Durchgänge zwischen den Sitzen sehr schmal sind und Stufen in den Wägen vorhanden sind. In stärker frequentierten Zügen stehen die Leute fast ausschließlich in den Einstiegs- und Mehrzweckbereichen, die für Kinderwägen, Rollstühle und Fahrräder gedacht sind. Bei jenem Mehrzweckabteil, bei dem sich die Toilette befindet, wird der Türraum eingeschränkt durch eine weit in den Türraum ragende Rollstuhlrampe, was das Ein- und Aussteigen erschwert.

Das Fahrerlebnis an sich war jedoch sehr angenehm, nicht nur weil der Zug modern und hell ist, sondern auch, weil er ruhig und leise dahingleitet. Wie viel leichter das Ein- und Aussteigen in den Cityjet selbst ist, fällt uns erst bei der Rückfahrt auf, bei der wir mit einer altem S-Bahn-Zug gefahren sind und vor allem das etwas schwerere Rad mit beladener Satteltasche nur schwer über die Stufen in den Zug hieven konnten.

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Zeitgemäße Innenausstattung mit Displayscreens

Fazit: Ein komfortabler und eleganter Zug mit guten Fahreigenschaften, dessen Fahrradabteile aber größer sein könnten, um auch Platz für längere Fahrräder zu bieten. Die Kennzeichnung, wo sich die Radabteile befinden, wo die Gurte zum befestigen sind und die Anordnung der Sitzplätze wäre verbesserungswürdig.

AutorInnen: Christoph Bayer, Patrik Hladschik und Margit Palman (Fotos).

 

 

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