Parenzana: Gut geschüttelt, reich belohnt

Tunnel nach Motovun

Parenzana: Gut geschüttelt, reich belohnt

Die "Parenzana" - schon der Name der Radroute auf einer aufgelassenen Schmalspurbahn-Trasse durch das nordwestliche Istrien verzaubert. Und tatsächlich: Wenn man damit klarkommt, auf dem großteils grobschottrigen Trail ordentlich durchgeschüttelt zu werden, wird man durch eine Fahrt durch faszinierende Landstriche entschädigt.

Die "Parenzana", nach dem italienischen Namen von Poreč, Parenzo, benannt, wurde Ende 1902 eröffnet und sollte das istrianische Hinterland mit dem Hafen Triest verbinden. 123 km lang führt die Trasse der schon 1935 eingestellten Schmalspurbahn heute 13 km in Italien, 32 in Slowenien und 78 in Kroatien, wobei nicht die gesamte Trasse erhalten ist und die Radroute streckenweise abseits verläuft. Dass die Trasse im Großen und Ganzen dennoch so lange freigehalten wurde, ehe man sich 2008 im Rahmen eines EU-Projektes länderübergreifend auf die Einrichtung eines "Gesundheits- und Freundschafts- Rad- und Wanderweges" verständigte, liegt wohl daran, dass die Flächen in öffentlicher Hand verblieben sind und auch als Güterwege genutzt wurden.

Apropos Rad- und Wanderweg: TourenradlerInnen, die Standards von Donau-, Drau- und Murradweg gewohnt sind, seien gewarnt. Über weitere Strecken vor allem in Kroatien kommt die Oberflächenbeschaffenheit einem Wanderweg gleich, der grobe Schotter fordert Gelenke, Konzentration und Material und sorgt für eine mäßige Reisegeschwindigkeit. (Wir kamen auf einen Schnitt von 13 km/h.) Andererseits: Von einer Mountainbike-Tour kann auch nicht die Rede sein, denn die Steigungen sind moderat, weil die Schmalspur-Lok weiland auch nicht mehr geschafft hätte. Bleibt man also auf der Route und verzichtet auf interessante, aber steile Abstecher wie nach Motovun, ist die Paranzana eine eher gemütliche Tour.

Höhenprofil, Etappeneinteilung
© www.bahntrassenradwege.de / ARGUS Stmk

Test im goldenen Herbst
Fährt man in einer Gruppe eine größere Tour, ist es - trotz GPS und Internet-Booking - doch ratsam, diese zuvor auszukundschaften. So geschehen für die zu Fronleichnam 2016 (26.-29.05.) ausgeschriebene Tour der Radlobby ARGUS Steiermark Ende Oktober 2015. Wobei: Das herrliche Herbstwetter ließ uns fast bedauern, die richtige Tour nicht in dieser Jahreszeit angesetzt zu haben. Doch mit dem Wetter ist es halt so eine Sache: Die vielen unbefestigten Streckenabschnitte, die selbst im Oktober, nach längerer regenfreier Zeit, noch mit zahlreichen stattlichen Pfützen aufwarteten, ließen erahnen, wie sich deren Zustand in einer Schlechtwetter-Periode präsentiert.

Geeinigt hatten wir uns bald, für An- und Abreise einen Bus zu chartern, weil dies mit der Bahn in angemessener Zeit kaum machbar ist. Start in Triest, genau genommen in Muggia, Ziel in Poreč, Übernachtungen in Piran, Grožnjan und Poreč, d.h. 123 km in drei Happen/Etappen.

Was die Quartiere betrifft, gestaltet sich deren Organisation im Hinterland für eine größere Gruppe (wir waren 13) nicht so einfach. Von den Etappen her böte sich Motovun als Ziel von Etappe 2 an. Die Stadt auf dem Felsen verfügt auch über ein Hotel, doch ist diese Bergwertung am Ende einer Tagesetappe nicht jedermann/-frau zumutbar. So entschieden wir uns für Grožnjan, wo wir auf zwei einfache Pensionen aufgeteilt waren. Die eine davon, Rooms Svalina, können wir durchaus empfehlen. Das Frühstück muss selbst organisiert werden, aber ab 08.00 Uhr sind Cafés, Gaststätten und ein Laden ohnedies offen.  

Zum Einrollen: Muggia - Piran
Der erste Abschnitt mit Start in Triest beginnt eigentlich erst in Muggia, etwa 10 km südlich des alten Triestiner Bahnhofes am Campo Marzio, der heute ein Eisenbahnmuseum beherbergt. Doch von allen Führern wir abgeraten, auf der stark befahrenen Ausfallsstraße zu starten. (Daher der dringende Appell an die Triestiner Stadtverwaltung, eine brauchbare Radroute auch vom Zentrum aus herzustellen!)

So legten auch wir erst in Muggia ab, wo unmittelbar nach der Brücke über den Rio di Ospo die Strada Proviciale Farnei von der Strada Provenciale 14 abzweigt. Die ersten Hinweisschilder weisen nach rechts und durch eine Siedlung stößt man auf die Parenzana-Trasse, auf der man nun komfortabel zur nahen italienisch-slowenischen Grenze gelangt. In Slowenien wechselt die Beschilderung auf groß, quadratisch und blau, gekennzeichnet mit "D-8".

Die erste Etappe führt durch Gärten und entlang der Küste über Koper und Isola nach Portoroz, wobei hier an schönen Wochenenden der Radausflügler- und Spaziergängerverkehr ziemlich dicht ist und man auch auf Mit- und Fremdnutzer (gemeint ist hier die Zweitakter-Fraktion) gefasst sein muss. Da heißt es aufpassen. Zudem schützen zahlreiche Boller nicht nur den Radweg vor Autos, sie stellen auch ein Gefahrenpotenzial für die RadlerInnen selbst dar. Vor allem bei der Routenführung bzw. der baulichen Ausgestaltung der Radwege durch die Orte gibt es Verbesserungspotenzial.

Als Etappenziel steuern wir nach 33 km Piran, das zwar nicht direkt an der Parenzana liegt, aber von Portorož schnell erreicht ist. Der Haken, den man nach dem Tunnel Valeta hinunter an die Küste und 3, 4 km nach Norden schlägt, lohnt sich jedenfalls: Das Juwel Istriens hat trotz der Touristenströme seinen Charme bewahrt, bietet feine Strandcafés, empfehlenswerte Kulinarik und eine breite Palette an Beherbergungsbetrieben.

Für uns war damit der erste Tag (Halbtag) noch nicht gelaufen: Auf Wunsch hatten wir bei der Fischfarm Fonda in Portorož eine Führung gebucht, was uns nach dem Einchecken im Hotel Piran noch einen abendlichen Ausflug bescherte. Doch es lohnte sich wirklich, aus dem Boot beobachtet man die Fütterung der hier gezüchteten Wolfsbarsche (Branzino), bekommt kompetent Auskunft und gegen einen Obolus auch eine kleine Degustation. Mehr vom Fonda-Branzino gab es im Anschluss im Restaurant Pavel II direkt neben unserem Hotel.

Besuch der Fischfarm Fonda
Besuch der Fischfarm Fonda, von © W. Wehap

Auf Trails ins Hinterland bis Grožnjan
Von Piran auf die Parenzana zurückgekehrt, glitten wir an Tag 2 durch die Ausläufer des mondänen Badeortes Portorož zum alten Hafen Lucija, nochmals an der Fischfarm Fonda und an der Saline von Secovlje vorbei. Nach der kroatischen Grenze schlägt man einen Haken und befindet sich auf einer Schotterpiste, die einen - in wechselnder Kiesel- und Steingröße - so ziemlich bis ans Ende der Tour begleitet. In einer langgezogenen Serpentine erklimmt man ohne große Anstrengung die Hochterrasse, in dessen karstiges Gestein die Schmalspurbahn einstens geschnitten wurde.

Bei Valica stößt man auf eine Nebenstraße, die parallel zum holprigen Parenzana-Weg verläuft - viele kleine Glasscherben nähren den Verdacht, dass hier Bauschutt udgl. von der Straße auf die Trasse gekippt wurde. In Volpia bietet sich die Casa Romantica "La Parenzana" zur Einkehr (auch als Quartier) an; ein "Navigationsfehler" verhinderte unseren Besuch, und wir wichen nach Buje aus, wo die Stärkung im "Rondo" aber auch durchaus zufriedenstelllend ausfiel.

Unter dem Ort Buje verlässt man den Kreisverkehr Richtung Grožnjan, dem nächsten Etappenziel. Nun geht es auf einem recht einschichtigen Trail über Viadukte und durch Tunnels weiter in das kleine Bergdörfchen, das zugleich den höchsten Punkt der Tour markiert. Obwohl, wie auch die anderen Tunnels, nur kurz, ist jener von Sv. Vid eine Challenge - ein gutes Frontlicht ist auf diesem Abschnitt der Parenzana jedenfalls von Vorteil. Grožnjan trohnt wie viele istrianische Orte auf einer Erhebung (293 m), hat einen sehenswerten alten Kern aus venezianischer Zeit und entwickelte sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Künstlerdorf.

Motovun im Herbst - Die alte Stadt am Berg wird auf der Trasse umfahren, Unerschrockene erklimmen Motovun per Bike.
Motovun im Herbst - Die alte Stadt am Berg wird auf der Trasse umfahren, Unerschrockene erklimmen Motovun per Bike., von © W. Wehap

Über Livade, Motovun und Visinada ans Ziel
Bis Livade geht es praktisch immer leicht bergab, doch das ständige Gerüttle und die Konzentration, die notwendig ist, um nicht auf große Brocken auf- oder in Mulden hineinzufahren, fordert eineN ganz schön. Anderseits gilt dieser wild-romatische Abschnitt wegen seiner Viadukte und Tunnels als besonders attraktiv. In Livade, ein Hauptort des Trüffel-Kults, befindet sich neben dem alten Bahnhof (heute Wohnhau) ein kleines Parenzana-Museum, das gegen Voranmeldung besichtigt werden kann.

Im nächsten Teilstück schlägt man einen Halbkreis um Motovun - oder aber man riskiert die Bergwertung hinauf auf die alte venezianische Feste. Bleibt man unten, wird der Weg allmählich besser fahrbar, wenn man am Rande des Mirna-Tals wieder moderat Höhenmeter macht. Das hat auch damit zu tun, dass in der Saison ein Traktor-Zug zwischen Motovun und Vižinada verkehrt, der sich seinen Weg mit Gehupe durch RadlerInnengruppen bahnt.

Entschließt man sich für die Bergwertung - die meisten unserer Gruppe taten dies -, dann stehen 3 km mit 7, 8 prozentiger Steigung bevor. Auf halber Höhe beginnt eine Mautstraße, auf der ein Shuttlebus von einem Parkplatz bis zur Stadtkrone fährt. Wir blieben im Sattel und stiegen vor dem Hotel-Restaurant Kaštel ab, wo wir uns mit einem schönen Mittagstisch belohnten.

Kehrt man von Motovun zur Parenzana-Tresse zurück, verpasst man den letzten Tunnel. Vor Rakotule, wo sich am Platz des ehem. Bahnhofs ein großer Labe- und Verkaufsstand mit Streichelzoo befindet, lohnte sich, wenn man Zeit und Lust hat, ein Abstecher zum romanischen Kirchlein Sveti Nikolai mit Fresken und Inschriften in der "Glagoliza", einer vor-kyrillischen Schriftform. Weiter Richtung Vižinada durchquert man Felder mit leuchtend roter Erde ("Terra rossa"), auf denen Wein und Oliven sowie Kürbisse gedeihen. Im Herbst ist hier für ein üppiges Farbenspiel gesorgt.

Die Autoren des Parenzana-Führers Janko Ferk und Sandra Agnoli haben recht, wenn sie den Tipp geben, sich bei Orientierungsproblemen die logische Trassenführung der Bahn vor Augen zu halten: Nur auf die Beschilderung verlassen sollte man sich nicht, und Möglichkeiten falsch abzubiegen gibt es sonder Zahl.

Die letzten Kilometer verläuft die Parenzana entlang der Straße, quert mehrfach Hauptverkehrsadern und ist nicht mehr ganz so attraktiv. Das Ende der radelbaren Trasse ist am Ortsrand von Poreč. Eine Endstation, deren Besuch auch für die Tour ein würdiger Abschluss wäre, gibt es leider nicht (mehr), wiewohl Poreč abseits des Touri-Tschantsch mit seinen historischen Gemäuern und der byzantinischen Eufrasius-Basilika auf jeden Fall einen Besuch wert ist. Der Tacho zeigt 134 km, rechnet man den Schlenkerer nach Piran und den Start in Muggia ab, dann dürfte man ziemlich auf die 123 km, die auch die Bahn zurücklegte, kommen.

WW (2015/16)

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Literaturtipps:
Janko Ferk, Sandra Agnoli: Die Parenzana. Gehen Genießen. Rad fahren. Von Triest bis Poreč. ISBN 978-3-7012-0127-3, styria regional Wien - Graz - Klagenfurt 2013

Links:
Website "Parenzana"
Bilddoku "Bahntrassenwege - Parenzana"
Erfahrungen mit Radwegen auf alten Eisenbahntrassen
Blog "travelvoice.fm"

 

 

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