Wie geht eigentlich Bike Fitting? 

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Bike Fitting ist nicht nur für RadsportlerInnen relevant sondern generell für alle, die regelmäßig längere Strecken mit dem Fahrrad fahren, denn: Wer ein Rad hat, das perfekt zum eigenen Körper passt, wird längerfristig mehr Freude und Spaß am Fahren haben. Nur: Wie geht das eigentlich und was muss ich machen, wenn ich mein Rad auf mich eingestellt haben will? Wir waren bei Radhändler Florian Posch in Ybbs zu Gast und haben uns zeigen lassen, worauf es ankommt. 

Grundvoraussetzung 

Was nicht passt, wird passend gemacht. So einfach ist das. Zumindest, wenn man ein paar Grundregeln beachtet und sich von Fachmännern und Fachfrauen beraten und unterstützen lässt. Damit man das eigene Rad „fitten“ lassen kann, muss es eine wichtige Grundvoraussetzung erfüllen: Die richtige Größe - also: die richtige Rahmenhöhe - haben. Ist der Rahmen nämlich zu klein oder zu groß, wird es schwierig. Generell gilt: „Man muss das Gerät an den Körper anpassen, nicht den Körper an das Gerät“, so Posch. Wem also der Hintern oder die Hände wehtun, der braucht nicht mehr Körperfett oder dickere Handschuhe sondern sollte Sattel, Sitz- und Lenkerposition korrigieren. Ebenso gilt es, auf Bewegungseinschränkungen einzugehen und das Fahrrad dementsprechend zu adaptieren. Posch verfolgt daher einen holistischen Ansatz, sieht sich jeden Menschen und dessen körperliche Beschaffenheit genau an, macht gezielte Tests, um ein möglichst genaues Bild zu bekommen. 

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Drei Schritte: Von Fuß bis Kopf

1.    Füße

Die richtige Sitzposition beginnt bei den Füßen: Steht der Fuß falsch im Schuh und auf bzw. im Pedal wirkt sich das negativ auf den gesamten Körper aus. Posch sieht sich daher als erstes ganz genau an, wie ich stehe und analysiert meine Füße auf Asymmetrien in Statik und Bewegungsablauf: Wie liegen meine Füße am Boden auf, wie ist die Fußstellung, welche Position haben meine Knie, wie beweglich sind die Hüftgelenke? Ich balanciere einmal auf einem, dann auf dem anderen Fuß, berühre mit den Fingern die Zehen, kippe das Becken in unterschiedliche Richtungen. Es fühlt sich irgendwie an, wie bei der Physiotherapie, was mir ein gutes und sicheres Gefühl verschafft, denn hier nimmt man sich eindeutig Zeit für mich und die Bedürfnisse meines Körpers. Um meine Füße in die richtige Position zu bringen, werden nun individuelle Einlagen von „Solestar“ angefertigt. Auf die beliebten Innensohlen aus Deutschland schwören Profis wie Philippe Gilbert. Sie basieren auf einem patentierten Stabilisations-Delta, das den Fuß in die optimale Position bringt und ihn dort stabil hält. Die Sohlen neutralisieren durch gezielte Eingriffe in die Biomechanik Kraftverluste und Beschwerden, die durch unnötige Bewegungen auftreten. So erlangt man beim Fahren mehr Kontrolle, höheren Komfort und mehr Leistung. Individuell anpassen lassen kann man diese Sohlen praktischerweise bei Posch. Er ist der einzige zertifizierte Radhändler in Österreich, der Solestar Custom in Verbindung mit Bike Fitting anbietet. Sein Tipp: „Wer sparen will, sollte sich eher günstigere Schuhe nehmen, dafür aber auf die passenden Sohlen achten. Es muss kein Top Schuh sein, die Einlagen sind oft viel wichtiger, damit die Fußstellung passt“. Am Ende werden die Cleats auf meinen Schuhen in die richtige Position gebracht, damit ich optimal in den Pedalen stehe. 

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2.    Sattel 

Als nächstes setze ich mich auf mein Rennrad, das in einen Rollentrainer eingespannt ist. Nun wird die richtige Sattelhöhe, Neigung und Position ermittelt. Die Oberschenkellänge, die Schrittlänge und die Beweglichkeit der Sprunggelenke spielen dabei eine wichtige Rolle. Das Knie muss im richtigen Winkel zum Fuß sitzen, der Drehpunkt darf keinesfalls hinter der Pedalachse sein. Eine falsche Position kann Hüft-, Knie- oder Rückenprobleme verursachen. Laut Posch sind übrigens eine falsche Sitzposition und zu weiche Schuhe Hauptgründe für Schmerzen, die beim Radfahren auftauchen. Angemerkt sei hier, dass mein Sattel bereits gut zu meinem Hintern passt. Wäre das nicht der Fall, müsste man noch die Sitzbeinhöcker ausmessen, um die passende Sattelbreite zu berechnen.

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3.    Lenker

Der passende Vorbau und die richtige Lenkerbreite und Lenkerhöhe werden nun ermittelt: Die Ellbogen sollten nicht nach innen gedreht und keinesfalls überstreckt sein. Gar nicht gut ist auch ein Katzenbuckel: Dadurch verengt sich der Brustkorb und das Atmen fällt schwerer. Weniger Luft bedeutet weniger Leistung. Je nach Einsatzgebiet wird die Lenkerhöhe eher sportlich oder eher kommod eingestellt. Der Körper sollte nicht zuweit vorne sein, sonst ist die Sitzposition zu kopflastig und das Fahrrad wird schwerer zu steuern. Ist der Oberkörper überstreckt, hat man das Rad nicht gut unter Kontrolle. In Abfahrten fühlt man sich dann unwohl, weil bergab noch mehr Gewicht nach vorne auf den Lenker kommt und das Kurven fahren schwer wird. 

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Sicher fühlen

Einen geeigneten Fachhändler zu finden, der Bikefitting so macht, wie es für die eigenen Bedürfnisse passt, ist gar nicht so einfach. Schließlich gibt es viele Radgeschäfte und nicht überall findet man, was man sucht. Posch rät, mit Händerln Kontakt aufzunehmen und ein Gespräch zu führen, um einen ersten Eindruck zu bekommen: „Fühlt sich der Kontakt für mich stimmig an? Wird auf meine Anliegen eingegangen? Fühle ich mich gut aufgehoben? Oder wirkt es eher nach einer Massenabfertigung?“. Wichtig sei laut Posch, dass sich der Fachmann oder die Fachfrau wirklich Zeit für den Kunden oder die Kundin nimmt. Er selbst mache daher Bike Fittings nur außerhalb seiner regulären Öffnungszeiten: „Damit ich ungestört bin und mich wirklich ganz auf den Kunden und seine Bedürfnisse konzentrieren kann. Eineinhalb bis zwei Stunden dauert ein Bike Fitting in der Regel bei ihm, plus Zeit für eventuelle Umbauarbeiten.

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Ab 150€ plus Materialkosten ist man dabei. Bei einem bei ihm erworbenen Fahrrad ab 3000€ ist das Bike Fitting inkludiert. 
Für ihn persönlich stand der gesundheitliche Aspekt stets im Vordergrund, er selbst erfuhr bereits in jungen Jahren am eigenen Körper, welchen Unterschied die richtigen Anpassungen machen. „Als ich ein Kind war hat mir der Opa den Sattel angepasst und plötzlich hat sich das viel besser angefühlt. Als ich dann mit fünfzehn begonnen hab, Radrennen zu fahren, hatte ich immer noch keine Ahnung von all dem aber je älter ich geworden bin, umso mehr hab ich verstanden. Heute weiß ich, was es braucht, um sicherer, bequemer und effizienter am Rad sitzen zu können“. Sein Erfolgsrezept? „Jahrelange Erfahrung, das richtige Auge und ein feinfühliges Eingehen auf Problemzonen. Und vielleicht auch, dass ich bei manchen Problemen ganz klar und ehrlich anspreche, dass es nicht an der Position liegt sondern an muskuläten Schwächen - und die Menschen eher zu einem Physio schicke, als ihnen teuer etwas zu verkaufen"

 

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