10 Jahre "Reclaim the streets" in Graz

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Am letzten Freitag im März 2007 traf sich am Südtiroler Platz eine bunte RadlerInnen-Schar - zufällig und unorganisiert natürlich. Seither wurde in Graz 99 mal temporär Straßenraum beansprucht, der für gewöhnlich dem Kfz-Verkehr gewidmet ist. Die "Critical Mass Graz" feiert ihr 10-Jahre-Jubiläum am 28. April mit einer "Ehrenrunde" und einem Festl.
 


"Das Fahrrad stellt ein wichtiges Verkehrsmittel der Mobilitätskette dar und verdient daher vollwertige verkehrspolitische Anerkennung und Förderung als nachhaltigstes, klügstes, gesündestes Nahverkehrsmittel", hieß es damals in einem Mission Statement auf dem Flugblatt, das während der gut einstündigen Fahrt durch die Grazer City verteilt wurde. Die Freude am - gemeinsamen - Radfahren, aber auch das Eintreten für eine radfreundliche Verkehrspolitik sind die Triebkräfte hinter der Aktionsform "Critical Mass".

Bunt und antihierarchisch
Im Unterschied etwa zum in Graz seit 2010 von der Stadt organisierten und von Exekutive und Guides auf partiell gesperrten Straßen begleiteten CityRadeln ist die CM antihierarchische Aktion, d.h. es handelt sich um keine angemeldete Veranstaltung mit verantwortlicher Trägerschaft und auch Ablauf und Routenwahl funktioniert eher spontan. Voraussetzung ist ledliglich eine gewisse "kritische Masse", ab welcher der langsame Pulk auf Hauptverkehrsadern von den motorisierten VerkehrsteilnehmerInnen als tempobestimmend wahrgenommen wird, gefährliches Überholen oder aggressives Drängeln inkl. Gehupe also nicht passieren sollte. Diese Aktionsform sorgt, da nicht immer StVO-konform, erwartbar für Reibungsflächen mit der uniformierten Obrigkeit. Wobei hier die Usancen von Stadt zu Stadt verschieden sind: Während in Wien die Polizei die CM eskoriert, wechselte in Graz das Verhalten zwischen Begleiten und Ignorieren - derzeit letzteres -, dazwischen mit sporadischen Abstrafungen.  

In der Praxis werden, um die geschlossene Formation zu erhalten, Kreuzungen noch geräumt, auch wenn die Ampel bereits rot zeigen sollte. Einzelne TeilnehmerInnen übernehmen das "Blocken" des motorisierten Querverkehrs. Insgesamt wird der Funfaktor groß geschrieben: Soundmobile oder Livebands auf Lastenrädern sorgen für den richtigen Rhythmus, Verkleidungen, allenfalls zu einem bestimmten Motto, sind erwünscht, der Fuhrpark ist bunt gemischt, öfters klingt die CM mit einem Picknick im Park oder einem Festl aus. Einige Male wurde die Ausfahrt auch RadlerInnen gewidmet, die im Straßenverkehr ums Leben gekommen waren; für sie wurden weiße Ghostbikes aufgestellt.

Langsam auf Touren
Gerade der schwache Organisationsgrad war es auch, der die CM in Graz länger nicht richtig auf Touren kommen ließ: Die Community von FahrradbotInnen und Radafficinados ist überschaubar, öfters mischten sich auch AkteurInnen mit anderen Zielsetzungen als verkehrspolitische unter die Truppe und verschreckten bürgerlich-brave potenzielle MitradlerInnen, medial war kaum Interesse vorhanden. So erklärt sich auch, dass in 10 Jahren nur 98 Fahrten auch tatsächlich durchgeführt wurden, einige also winters oder in den Sommerferien wegen zu geringer Beteiligung ausfallen mussten. 

Die Gefahr, unterkritisch zu werden und nicht vom Stapel zu kommen, ist seit etwa zwei Jahren gebannt: Selbst in der kalten Jahreszeit waren es zuletzt immer 50 bis 60 Radelnde spätetestens, die mit auf Tour gingen, die bestbesuchten Fahrten erreichten bzw. überschritten die Marke von 100 Teilnehmenden. 

Jubiläum am 28. April
Auch wenn alles sehr informell ist und die Infos über Mund- und Social Media-Propaganda laufen, hat irgendjemand doch das Jubiläum aufgegriffen und ein Festl drumerum vom Zaun gebrochen. Dieses findet im Anschluss an die CM No. 99 am 28.04. statt, wobei wie immer der Südtirolerplatz Treffpunkt ist.