Höchste Zeit für neue Radverkehrslösungen in Gratkorn

gratkorn.jpg

Fahrradfreundlich war gestern in Gratkorn. In der Vergangenheit zweimal als „Fahrradfreundliche Gemeinde“ ausgezeichnet, ist die Marktgemeinde nördlich von Graz heute weit hinten nach in Sachen Radverkehr. Der Gemeinderat hat sich aufs Blockieren von zeitgemäßgen Radverkehrslösungen verlegt, ziemlich allein auf weiter Flur Gemeinderat Hans Preitler, Obmann des Verkehrsausschusses. Er ist mit seiner Initiative zur Aufhebung der Benützungspflicht für den grottenschlechten „Radweg“ durch den Ort zwar gescheitert, gibt aber dennoch nicht auf.

Der richtungsgebundene kombinierte Geh-Radweg in der Grazer- und Bruckerstraße ist ein Relikt aus einer Zeit, wo man infolge steigenden Kfz-Verkehrs RadlerInnen auf den Gehsteig verdrängte bzw. sie mit Alibi-Radwegen abspeiste. Verwinkelt, unzählige Ein- und Ausfahrten, Kanten, unterschiedliche Breiten, programmierte Konflikte mit FußgängerInnen und parkenden Kfz. Trotzdem: Zweimal wurde die Marktgemeinde als „Fahrradfreundliche Gemeinde“ (1990, 2012) ausgezeichnet. Ein Titel, den Gratkorn nach Meinung von Hans Preitler aber so was von nicht verdient. Als sich über die Jahre auch nichts veränderte, legte er 2010 ein Konzept der „kurzen Wege“ vor, das Grünen-Gemeinderat Martin Holzer in den Gemeinderat einbrachte. Immerhin hatte das zur Folge, dass man einen  externen Planer (Rudolf Fruhmann) mit der Erstellung eines Verkehrskonzepts beauftragte, das dann 2012 beschlossen wurde. Der Teil, der den Rad- und Fußgängerverkehr betrifft, harrt heute noch immer seiner Umsetzung.

Als 2012 Gratkorn erneut das Prädikat „Fahrradfreundliche Gemeinde“ verliehen bekam, war das selbst Bürgermeister Ernest Kupfer (SPÖ) etwas peinlich. Preitler aber war verärgert und kreuzte mit einer Dokumentation der Unzulänglichkeiten beim Gemeindechef auf.  Gemeinsam mit der Radlobby ARGUS Steiermark organisierte er eine Befahrung und Gemeinderat Holzer machte Druck in Richtung Umsetzung des Verkehrskonzepts.

Mit dem Finanzskandal und der Neuwahl 2015 keimte die Hoffnung, dass unter dem neuen Bürgermeister Helmut Weber (SPÖ) endlich der Stillstand überwunden wird. Hans Preitler kam selbst in den Gemeinderat und machte sich mit Elan daran, die Problempunkte aufzuarbeiten: Doch bei seinem Hauptanliegen, der Verbesserung der Radverkehrsführung entlang von Grazer- und Bruckerstraße, blieb es bei wenigen kosmetischen Maßnahmen wie die Verschiebung von Mülltonnen. Wegen der hohen Kosten für eine bauliche Umgestaltung schlug er vor, eine der Möglichkeiten der StVO-Novelle 2013 zu nutzen, und die Benutzungspflicht der richtungsgebundenen kombinierten Radwege entlang der 2 km langen Ortsdurchfahrt aufzuheben. Doch er scheiterte hier wie auch in der Felbergrabenstraße, wo seinerzeit ebenfalls ein Gehsteig trotz Unterschreitung der Mindestbreiten zum gemischten Geh- und Radweg umfunktioniert worden war. Der Ausschuss lehnte es ab, mit entsprechenden Empfehlungen an die Bezirkshauptmannschaft, die ja als Behörde letztlich zuständig ist, heranzutreten.

ÖVP, FPÖ und auch die neue Bürgerliste lehnten ab, die SPÖ räumte zwar ein, dass der kombinierte Geh-Radwegentlang in der Grazer-/Bruckerstraße schon bei seiner Umsetzung eine Fehlplanung gewesen sei, eine Aufhebung der Benutzungspflicht komme für sie dennoch nicht in Frage. Bemüht wurde in kruder Logik die Sicherheit: „Denn die Konsequenz einer solchen Aufhebung wäre, dass auch Familien mit Kindern direkt auf der Straße unterwegs sein könnten.“ Der Umstand, dass Radfahrende es sich je nach eigenem Fahrverhalten und Sicherheitsempfinden aussuchen dürfen, ob sie die Fahrbahn oder den Radweg benutzen – was ja gerade die Intension der StVO-Novelle ist -, war der SPÖ offenbar zu viel an Eigenverantwortung. Statt endlich konkrete Maßnahmen, wenn auch erste und kostengünstige, zuzulassen, übte sich Gemeinderat Bernard Samitsch in salbungsvollen Appellen: „Die SPÖ mahnt in dieser Sache ein generelles Verkehrsverständnis aller Teilnehmer ein, denn nur mit einem rücksichtsvollen Miteinander ist Sicherheit lebbar.“ Auch ein Gutachten des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, das Preitler in Auftrag gab (und von den Grünen bezahlt wurde) und das sich klar für diese Maßnahme aussprach, ließ die Blockierer unbeeindruckt. Zum Thema Sicherheit machte sich Preitler die Mühe und analysierte die Unfalldaten. Das Ergebnis: Gegenüber 2009-2011 hatte sich die Zahl der Unfälle 2012-2014 auf 43 verdoppelt, jene Unfälle, bei denen RadlerInnen involviert waren, auf 12 sogar vervierfacht.

Preitlers Anliegen ist es, die Gratkorner Verkehrsdebatte mit fachlich fundierten Maßnahmen auf ein höheres Niveau zu bekommen. Er hofft nun auf das Land, das gemäß seiner neuen Radverkehrsstrategie den Fokus auf Agglomerationen und Gemeindekooperationen richtet und danach auch die Fördermittel vergeben will. Von Gratwein-Straßengel und dem dortigen Verkehrsausschuss-Obmann Josef Harb (SPÖ) geht die Initiative für ein regionales Radverkehrskonzept aus, in welchem dem Bahnhof Judendorf die Rolle eines multimodaler Knotens zukommen soll und für das man auch Gratkorn mit ins Boot holen möchte. Große Würfe für die Zukunft wären dann der radfahrgerechte Umbau des Mursteges zwischen Straßengel und Gratkorn und ein Fahrrad-Highway nach Graz mit Verbesserungen für die jetzt schon zahlreichen BerufspendlerInnen, aber auch für den kleinräumigen Bedarfsverkehr. Im regionalen Kontext sollten dann auch bei lokalen festgefahrenen Projekten die Karten im Sinne übergeordneter Erfordernisse und zeitgemäßer Standards neu gemischt werden.       

 

Stichworte: