Klima erfahren: Mit dem E-Mtb in Osttirol

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Ines Ingerle begab sich mit dem E-Mountainbike auf Entdeckungstour und lernte über Nachhaltigkeit, Klimaschutz und integrative Lösungen. Ein Erlebnisbericht. 


Das Radfahren und mich verbindet eine lebenslange Liebesbeziehung. Das Fahrrad hat mich noch nie im Stich gelassen und ist überall ein guter Kompagnon: Es ist mein primäres Verkehrsmittel, mit dem ich mich durch die Stadt bewege; mein zuverlässiger Lastenträger, wenn´s mal mehr zu transportieren gibt; mein Sportkumpel und mein Reisepartner. Eine Traumbeziehung - keine monogame allerdings. Wir sind zu siebt – Meine sechs Fahrräder und ich. Und jetzt bin ich auch noch fremdgegangen: Mit einem E-Mountainbike! 

Gelungener Seitensprung

Schuld an dem äußerst prickelnden Seitensprung ist eine Pressereise in das wunderschöne Osttirol, veranstaltet von SportAktiv, in Kooperation mit Bosch, KTM und Thule. „Klima erfahren“ lautete das Motto, und zwar primär auf E-Mountainbikes von KTM. Zugegeben, Mountainbiken zählt nicht zu meinen Stärken. Nicht, weil ich es an sich nicht interessant finde, sondern einfach weil ich als Wienerin keinen so rechten Zugang dazu gefunden habe. Bis jetzt.

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Klima erfahren

„Klima erfahren“ also. Klima und Klimawandel, erneuerbare Energie und nachhaltiger Umgang mit Ressourcen. Das sind Themen, mit denen sich unsere Gesellschaft aktuell beschäftigt. Drei Tage lang kann ich nun mein Wissen mit ExpertInnen zu Naturraum-Planung, Ökologie und integrativen Lösungen vertiefen und nebenbei mit dem E-Bike die Landschaft erkunden. 

So finde ich mich also im traumhaft schönen Osttirol wieder. Der erste Tag am E-MTB ist gemütlich. Ein erstes Herantasten an die Räder und die Handhabung des Bosch-Motorsystems. Die Gruppe bewegt sich in moderatem Tempo durch die malerische Landschaft, es ist eine nette Spazierfahrt in entspannter Atmosphäre. 

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Hochmut ohne Fall

Am zweiten Tag darf ich das Potential des Motors richtig auskosten: 1.900 Höhenmeter geht es nach oben bis zur Lucknerhütte beim Eingang des Nationalparks – und die teils 20% steile Steigung radel ich dank Motorunterstützung so locker hinauf, dass es für mich komplett surreal wirkt. Die ersten paar hundert Höhenmeter bin ich damit beschäftigt, über diesen Umstand zu staunen, dann kommt Begeisterung dazu. Auf einem analogen Mountainbike hätte ich vermutlich spätestens auf halbem Weg das Ende des Anstiegs erklären müssen. Die Tatsache, dass wir – an einem sonnigen Samstag - keinem einzigen Radfahrenden mit analogem Mountainbike begegnen, und unser Fahrrad-Guide Lukas Reisinger bekräftigen meine Annahme: Ohne E-Bike kommt hier kaum jemand rauf. 

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Ich realisiere: E-Mountainbikes machen Natur und Berge in einer Art und Weise erfahrbar, die vielen Menschen ohne sie komplett verwehrt bleiben würde. Menschen, die ansonsten vielleicht mit dem Auto auf den Berg fahren würden. Menschen, die vielleicht nie auf ein Rad steigen würden, weil sie die gesundheitlichen Grundlagen nicht haben, um ohne Unterstützung bergauf zu fahren. 

Kehrseite 

Natürlich gibt es wie bei allem auch eine Kehrseite der Medaille: Mehr Mountainbiker am Berg heißt mehr Konflikte mit Wanderern, Grundstückbesitzern und Landwirten, mehr Gefahr für die Natur u.s.w.. Vor allem hier im Nationalpark sind Radelnde, die auf illegalen Strecken fahren und davon Videos oder Fotos in den sozialen Netzwerken posten ein großes Problem (weil sie auf Nachahmer stoßen). Immer mehr Touristen wollen mit E-Mouintainbikes die Berge erkunden. Over-Tourism durch E-Bikes? Unterbinden ist nicht sinnvoll, der Druck steigt, der Trend geht in die Richtung und die Nachfrage ist enorm. Arnold Pauly von Sport Aktiv sieht die Lösung im Entflechten: Es gelte, mehr Angebote zu schaffen, Nutzungszeiten festzulegen, klare Strecken vorzugeben und Radfahrwege klar von Wanderwegen zu trennen. Es sei wichtig, die Natur einerseits zu schützen, sie aber dennoch für BesucherInnen erfahrbar zu machen. Schließlich: Nur, wenn ich die Schönheit einer Sache am eigenen Leib erleben konnte und somit eine emotionale Verbindung dazu aufgebaut habe, wird es mir wichtig sein, diese Sache auch zu schützen. Klimaschutz gelingt besser, wenn Klima erfahrbar ist. 

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Angewandte Ökologie 

Ich erfahre Klima, und zwar großteils aber bei weitem nicht nur durchs Radeln. Viele spannende Menschen erzählen über ihren Zugang und ihre Arbeit im Bereich Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Der Bürgermeister der Gemeinde Virgen zum Beispiel. Seit 20 Jahren ist seine Gemeinde beim Klimabündnis, zwei Jahre länger als er im Amt ist. Stolz berichtet er über die Fortschritte und Erfolge: Die Umstellung der Straßenbeleuchtung von Quecksilber auf Natrium, die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen auf Steildächern (damit der Schnee im Winter abrutscht und die Fläche nicht verdeckt wird), das Wasserkraftwerk als erste Initiative für erneuerbare Energie. Virgen verfügt über eine Mobilitätsbeauftragte, einen E-Bike-Verleih, Kabel, die großteils unterirdisch verlaufen, Stückgutförderungen und Austausch-Förderungen, wenn man den Ölkessel gegen einen Aktivkessel tauscht. Seit 15 Jahren gibt es Virg-Mobil. Ein Elektroauto-Shuttleservice mit 26 freiwilligen FahrerInnen, die BewohnerInnen von A nach B transportieren. „Wenn man hartnäckig genug ist, wird man mit ein paar Früchten belohnt“ schließt er seinen Vortrag mit einem Augenzwinkern ab. 

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Nationalpark Rangerin Carola übt ihren Beruf ebenfalls seit 20 Jahren aus. Mit Blick ins Ködnitztal, die Adlersruhe (höchst gelegene Schutzhütte Österreichs auf 3.400m) und den Glockner erzählt sie über den Nationalpark, der eine Gesamtfläche von 1.800km² aufweist. Das sind 232.00 Fußballfelder oder ca. viereinhalb mal die Größen von Wien (- das hat 487km²). Sie weiß: Noch kommen recht wenige Menschen mit dem Rad bis hier rauf aber: „Es werden immer mehr!“.

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Singletrail, Baby! 

Am letzten Tag komme ich voll auf meine Kosten. Das Tempo ist sportlich, die Grundstimmung motiviert. 2.200m geht´s bergauf. Der Videograf Tomaž Druml holt die Gruppe keuchend ein und beschwert sich. Er müsse uns stoppen, sonst würde das nichts werden mit den guten Bildern. Wohl gemerkt, der Herr ist ehemaliger Spitzensportler! Er fährt die Strecke teilweise doppelt, um an gutes Material zu kommen – und bisher ist er großteils ohne Motorunterstützung mit uns mitgefahren. Aber heute hat auch er den Motor zugeschalten – „Sonst hol i euch ja nimma ein bei dem Tempo!“. Oben am Gipfel empfinde ich pure Glückseligkeit: ein 360 Grad Panorama-Blick auf die Bergkette, strahlender Sonnenschein, herrliche Luft und die Genugtuung, dass ich nicht, wie die meisten anderen hier, mit der Gondel herauf gekommen bin, sondern mit meinem liebsten Gefährt: dem Rad.

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Die letzte Abfahrt lässt mich aus meiner Komfortzone kommen: Eine reduzierte Gruppe von fünf Mountainbike-affinen Männern und ich nimmt die Singletrail-Route nach unten. Ich bin ein wenig verunsichert. „Afoch foan!“ rät mir Lukas, ein gestandener Tiroler, also tue ich, was er sagt, verlagere meinen Schwerpunkt nach hinten und rolle los. Das Rad federt wie ein Trampolin und fängt mich nach jedem Sprung sanft wieder auf, dann kleben die dicken Reifen wieder stabil am Trail. Als ich unten ankomme, bin ich stolz auf mich. Lukas zeigt sich beeindruckt „Des wor jetzt oba nit der leichtaste Trail!“. Zurück nach oben lerne ich, den Motor in den Kurven zu meinem Vorteil zu nutzen. Arnold, der hinter mir hergefahren ist, zeigt sich mindestens genauso beeindruckt wie ich: „Du lernst schnell!“ staunt er. 

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Ja, ich lerne. Über Umwelt, Nachhaltigkeit, Klimaschutz, E-Mobilität und die Zusammenhänge all dieser Bereiche. Und ich glaube, ich habe mich verliebt. So ein bisschen zumindest. Ins E-Mountainbike und die Singletrails, in Höhenmeter und Geschwindigkeitsrausch, ins Erfahren von Natur. Es wird wohl aber vorerst eine heiße Affäre bleiben, zusammen ziehen werden das E-Bike und ich so schnell nicht. Noch.  


Erfahrungsbericht: INES INGERLE

Fotos:  TOMAŽ DRUML MEDIAWORKS 

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