Praterstraße: Bezirksvorsteher argumentiert mit Unwahrheiten

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Die Praterstraße in der Wiener Leopoldstadt bietet laut ORF Wien "viel Auto-Verkehr". Gleichzeitig ist sie eine von Wiens meistbefahrenen Radpendlerrouten, Teil der zukünftigen Radlangstrecke Nord und eine prädestinierte Flaniermeile. Gerade letzteres würde der lokalen Wirtschaft und den BewohnerInnen gut tun. Das sieht Bezirksvorsteher Hora (SP, früherer Verkehrssprecher der SP Wien) anders und untermauert diese Sichtweise in einem der Radlobby vorliegenden offiziellen Brief (s.u.) mit Unwahrheiten und Untergriffigkeiten.

So wird von BV Hora behauptet, die Verkehrsruhigung Mariahilfer Straße hätte "mehr Verkehr bei den umliegenden Straßen" gebracht, was aber die Stadtbehörde MA 46 schon lange widerlegt hat, die lt. Wiener Zeitung bestätigt "dass der Kfz-Verkehr im 6. und 7. Bezirk nach der Umgestaltung der Mariahilfer Straße um über 30.000 Fahrten abgenommen hat". Die TU errechnet daraus sogar eine Abnahme von "85.000 Fahrten"!

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Die grün markierten Straßenzüge zeigen die deutliche Abnahme von motorisiertem Verkehr rund um und auf der "neuen Mahü". (TU Wien)

Darüber hinaus behauptet BV Hora, dass der unleistbare Lobautunnel die Praterstraße entlasten würde, was von den TU-Verkehrsexperten bezweifelt wird, und führt fragwürdige Entfernungszahlen für eine unbrauchbare Radlangstreckenvariante in der Helenengasse an.

BV ignoriert Verkehrsgefahren

Gänzlich menschenverachtend wird seine Tirade, als er dazu ansetzt: "Ampeln sind für etliche Radfahrer sowieso nur eine beleuchtete Zierde, weil die meisten bei Rot fahren. Der Aufschrei kommt dann immer, wenn etwas passiert, das(sic!) keiner darauf geachtet hat und dass das ja alles zu vermeiden gewesen wäre." Dabei ignoriert er die Verkehrstoten in Wien der letzten Zeit, als erst vor einer Woche ein radelndes Kind bei Grün von einem Lkw getötet wurde. Übrigens von einem rechtsabbiegenden Lkw - falls die von BV Hora für die Kreuzung Reichsbrücke/Vorgartenstraße lautstark propagierte gefährliche Rechtsabbiegerspur kommen sollte, droht dort ähnliches Schrecknis.

Darauf kann jedeR BürgerIn übrigens bei dem „Wien heute“-Kurier-Stadtgespräch am 2. Juni 2016 reagieren: „Praterstraße - Soll die Verkehrsader eine Flaniermeile werden? Und was bedeutet das für Anrainer und Autofahrer?“, 18.30 Uhr im Lokal "Eisvogel" neben dem Riesenrad, Riesenradplatz 5.

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Die Wiener RADpaRADe zeigt, wie schön die Praterstraße sein kann.

BV-Brief in voller Länge

Sehr geehrter Herr ...!

Eigentlich hätte ich nicht überrascht sein sollen, dass ich von Ihnen als erster Leopoldstädter, der nicht Politiker ist und sich in diesem Sinne äußert, ein Mail bekomme.

Ich erlaube mir nur zur Klarstellung ein paar Richtigstellungen:

Erstens hat die Praterstraße nur zwei Fahrspuren je Richtung, also vier Spuren gesamt. Nur in sogenannten Kreuzungsbereichen besteht eine Ausweitung auf maximal fünf Spuren, es gibt aber keinen einzigen Bereich, wo sechs Spuren vorhanden sind. Den müssten Sie mir zeigen.

Über die Mariahilfer Straße würde ich gerne mit Ihnen diskutieren. Dass wir dort Geschäftesterben haben und dass es mehr Verkehr bei den umliegenden Straßen gibt, ist in der Zwischenzeit sogar durch Verkehrszählungen nachgewiesen worden. Aber das ist keine Sache, die mich angeht, sondern jene der Mariahilfer, respektive der Neubauer.

Wenn Sie von einem Umweg über die Helenengasse sprechen, dann scheinen Sie den Bezirk wirklich nicht im Detail zu kennen. Es geht um 300 m, die übrigens auch vom Büro Vassilakou in einem der Gespräche über die „Rad-Langstreckenverbindungen“ als zu großer Umweg bezeichnet wurden. Diese Strecke hätte nur eine Ampel und nicht, wie wir es derzeit haben, dass die Radfahrer über drei bzw. vier Ampeln fahren müssen. Allerdings gebe ich Ihnen recht, Ampeln sind für etliche Radfahrer sowieso nur eine beleuchtete Zierde, weil die meisten bei Rot fahren. Der Aufschrei kommt dann immer, wenn etwas passiert, das keiner darauf geachtet hat und dass das ja alles zu vermeiden gewesen wäre.

Dass Sie nicht verstehen, dass der Lobautunnel indirekt etwas mit der Praterstraße zu tun hat, kann ich fast nachvollziehen. Weil dann hätten Sie auch gewusst, dass wir derzeit die Situation haben, dass wir vom 22. Bezirk lediglich die Einfahrtsmöglichkeiten über die A23 und über die Reichsbrücke haben. Andere Verkehrswege aus dem 22. Bezirk in Richtung Innenstadt sind derzeit nicht vorhanden. Beim Bau eines Lobautunnels würde es bedeuten, dass ein Teil des Verkehrs nicht mehr durch die Stadt muss, sondern um die Stadt umgeleitet wird. Man muss also auch öfters in größerem Rahmen denken. Ich gehe davon aus, dass Sie wahrscheinlich noch nicht mitbekommen haben, wenn die Praterstraße enger werden sollte, es auch mehr Verkehr auf dem Handelskai geben wird, direkt bei Ihrem Wohnhaus vorbei. Aber vielleicht wohnen Sie innenliegend, sodass Sie das nicht spüren.

Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass 1978 die Praterstraße auf Wunsch des Bezirkes mit Radwegen ausgestattet wurde. Da waren die Radwege allerdings noch im Gehsteigbereich, also innenliegend. Erst mit Umbau 1993 wurden die Radwege von innen nach außen verlegt, die Spuren entsprechend verschmälert und damit auch ein eigener Radstreifen auf jeder Seite errichtet. Wenn Sie sich dort hinstellen, würde Ihnen auffallen, dass viele nicht wissen, dass es sich jeweils um einen Einrichtungsradweg handelt.

Im Übrigen - ich fahre selbst Rad - 300 m sind für einen Radfahrer kein Umweg. In diesem Sinne verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen

Karlheinz Hora
Bezirksvorsteher für den 2. Bezirk
1020 Wien, Karmelitergasse 9, 2. Stock
Tel.: (+43 1) 4000-02111
Fax: (+43 1) 4000-99-02120
E-Mail: post@bv02.wien.gv.at

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