2016 Einkaufszentren-Radtest: Da geht noch was!

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Der 7. Einkaufszentren-Test durch die Radlobby ARGUS Steiermark liegt vor: Der Murpark ist weiterhin das radfahrfreundlichste EKZ im Raum Graz, und zwar mit Abstand. Eher enttäuschend: Bei keinem der anderen Shopping-Tempel gab’s wirkliche Verbesserungen, im Gegenteil: zwei Center fielen zurück.

Einschränkend ist vorweg zu sagen: Der Citypark, jahrelang Nummer zwei und beim ersten Test 2007 sogar Sieger, befindet sich im Umbau und wird daher in der Wertung mit dem Ergebnis von 2014 geführt. Leichte Abstriche musste der Murpark für die interne Verkehrsführung hinnehmen, mit 16,5 von 20 möglichen Punkten spielt man aber nach wie vor in einer eigenen Liga. Keine Bewegung gibt es beim Kastner & Öhler, wo aus der optimalen Citylage mit sensationell hoher RadlerInnenfrequenz wenig gemacht wird, nichts Neues auch aus der Shopping City Seiersberg, wo die „Rote Laterne“ in Sachen Radfreundlichkeit zuhause ist. Zugute halten muss man dem SCS-Management, dass man sich kooperativ zeigte und die erbetenen Daten bereitstellte (passierte von K&Ö und Citypark leider nicht) und dass man mit der Angabe „Radverkehrsanteil 0,7 Prozent“ nichts zu beschönigen versuchte.

Nach Zwischensprints in den vergangenen Wertungen leider wieder schwächer: Shopping Nord, wo die Möglichkeiten der Anschlüsse an das städtische Radverkehrsnetz nicht wirklich genutzt und bei der Erweiterung eher Alibi-Maßnahmen gesetzt wurden, und Center West, wo es nicht gelungen ist, den Schwung aus der vor einigen Jahren verbesserten Radverkehrsführung im Areal fortzuführen.   

Radverkehrsanteil zwischen 0,7 und 15 Prozent

Der Blick zu den Eingangsbereichen der großen Grazer EKZ zeigt, dass Einkaufen längst keine Autodomäne mehr ist. Volle Radabstellplätze findet man nicht mehr nur an schönen Tagen, das Fahrrad hat sich als Alltagsfahrzeug für tägliche Einkäufe etabliert. Ablesbar ist dies am Modal Split, also dem Anteil am Gesamtverkehr, der etwa beim Murpark 6,5 bis 7, beim Center West gar mit 8 Prozent angegeben wird. Von Kastner & Öhler liegen keine aktuellen Zahlen vor, der Anteil der radfahrenden Kundschaft liegt hier bei geschätzten 15 Prozent. Dennoch: Es gibt noch viel Luft nach oben – und da muss man gar nicht nach Seiersberg schauen.

Zentrale Kriterien: Erreichbarkeit und Radverkehrsführung

Was die Anbindung an das Radverkehrsnetz betrifft, hat sich gegenüber 2014 wenig verändert. Klar, dass das jeweilige EKZ-Management nur bedingt dafür verantwortlich ist, wie gut oder schlecht das Areal erreichbar ist – so kann man den Murpark schlecht dafür ins Gebet nehmen, dass es auf der Route vom Zentrum entlang der 4er-Linie bei der Querung der Liebenauer Tangente an der Druckknopfampel eine rekordverdächtige Anforderungszeit von 89 Sekunden (!) gibt. Auch das Center West bekam keine Punkteabzüge dafür, dass man, aus Richtung Zentrum von der Wagner-Jauregg-Straße kommend, binnen weniger Meter dreimal die Fahrbahnseite (Bahnunterführung links, danach rechts, wieder links ins Center) wechseln muss. Der gerade in Angriff genommene Umbau des Weblinger Stumpfes dürfte sich zumindest für die Anfahrt aus westlicher Richtung vorteilhaft auswirken.

Am EKZ-Gelände selbst ist man aber sehr wohl zuständig, und auch hier gibt es Abstriche: Beim Center West fällt die häufige Fremdnutzung auf (Gastro, Ladetätigkeit, Christbaummarkt), beim Shopping Nord hat man bei der jüngst erfolgten Erweiterung (Fachmarktzentrum) auf eine eigene Radverkehrsführung verzichtet und in der Shopping City Seiersberg ist so etwas von Anbeginn an ein Fremdwort. Beim Citypark geben erste Blicke über die Baustellengitter Anlass zur Hoffnung, allerdings sind die nun autoverkehrsfreien Eingangsbereiche als Fuzos ohne Ausnahme ausgewiesen, was die Erreichbarkeit der eingangsnahen Radabstellanagen verschlechtert. Nicht konsistent zeigt sich die Infrastruktur im sonst mustergültigen Murpark: Beim Queren einer Garagenzufahrt im Süden wird dem Radverkehr Nachrang verordnet, vor dem Zugang zum Interspar ist der Radweg unterbrochen, weil man offenbar keine Lösung parat hatte, wie man FußgängerInnenströme und passierende RadlerInnen „schlichten“ könnte.

Eher betrüblich ist die Entwicklung bei den EKZ-nahe angesiedelten Fachmarktzentren im Norden (Obi) und in Webling (Betreiber Liebbau): Der hier gebotenen Infrastruktur – Radverkehrs- und  Abstellanlagen - nach zu urteilen, sind hier RadlerInnen nicht nur schlecht bedient, sondern überhaupt unerwünscht. 

Durchdacht - überdacht: Abstellplätze

Was das Parken betrifft, kann man den Murpark getrost als leuchtendes Beispiel nennen: Zusätzlich zur Fahrradgarage, die wirklich alle Stückeln spielt (siehe Detailbeschreibung) -, wurde ein schönes Stück Kfz-Parkplatzfläche zwischen der Tram-Haltestelle und Interspar als Zweirad-Kurzparkplatz umgewidmet. Lediglich die Qualität der hier eingesetzten Abstellracks lässt zu wünschen übrig.

Apropos Qualität der Abstellanlagen: Hier zeigen sich doch große Unterschiede, vergleicht man z.B. die neuen Anlagen beim Shopping Nord und beim Citypark. Während im einen Fall wenig überdachte und offenbar kaum überlegt Ständer minderer Qualität installiert wurden, sind im anderen Fall generell einfache, aber passende Metallbügel mit Querstreben (Typ: moderner Grazer Bügel) angeschafft worden, die durchwegs wettergeschützt sind. Ein Sammelsurium von Abstellanlagen verschiedener Epochen ist im Center West zu bewundern, im Shopping Center Seiersberg verzichtet man überhaupt weitgehend darauf, mit derlei Einbauten die Harmonie der weitläufigen Blech-Landschaft zu stören. Städtebaulich am anderen Ende der Skala schafft es das Großkaufhaus Kastner & Öhler über ein Jahrzehnt nach der Schließung der Passage Nord nicht, den radfahrenden KundInnen einen überdachten Abstellplatz anzubieten. Schließfächer gibt es zwar, aber nur im Keller des Haupthauses – weit weg vom wenig komfortablen (öffentlichen) Abstellplatz zwischen Gigasport und Mur.

Luft holen ist im Im Paradeishof erlaubt, Parken aber nicht. Für radelnde KundInnen prädestiniert, knausert das zentrale Großkaufhaus mit Abstellmöglichkeiten.
Luft holen ist im Im Paradeishof erlaubt, Parken aber nicht. Für radelnde KundInnen prädestiniert, knausert das zentrale Großkaufhaus mit Abstellmöglichkeiten., von Radlobby ARGUS Steiermark

Radfreundliche Assets

SB-Serviceboxen mit Kompressor und Werkzeug sind heute ebenso Standard wie E-Ladestationen und Schließfächer. Die meisten EKZ haben auch einen Radhändler mit Werkstatt an Bord, für den Fall einer Panne. Wie man mit dem Fahrrad hinkommt, erfährt man im Web und über Flyer vom Murpark, nicht aber vom Shopping Nord oder vom Center West.  Etwas dick trägt Test-Seriensieger Murpark auf, wenn man auf der Homepage die bisherigen Testsiege werblich ausschlachtet und  behauptet, dass man „die Fachjury restlos überzeugen konnte.“ (Vgl. einige rote Bereiche in der Detailauswertung)Was sonst noch RadkundInnen anlockt? Beim Murpark gibt es im Frühjahr eine Gebrauchtradbörse, in der Shopping City Seiersberg ab und zu einen Kinder-MTB-Parcours. Mehr haben die sonst so rührigen Kreativabteilungen der Center eigentlich nicht zu bieten und in der Fragebogen-Beantwortung  räumt das Shopping Nord unter „Verbesserungsbedarf“ ein: „Spezielle Aktionen/ Events für Radfahrer“.



Walter BRADLER/ Wolfgang WEHAP   

 

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