Reinprechtsdorfer Straße: Schwarzes Loch am Radweg

_dsc0299.jpg

In Wien gibt es derzeit 160 unzusammenhängende Kilometer Radwege an etwa 560 km Hauptstraßen. Ein "Radwegnetz" besteht nur auf Papier - im Alltag befahren wir alle mehr Radweglücken als -netz. Wer traut sich beispielsweise auf der Reinprechtsdorfer Straße gegen den 2-3-spurigen Auto-Verkehr anzufahren? Der Fahrstreifen gegen die Einbahn ist nämlich spärlichst gekennzeichnet - Radfahrer*innen werden in ein Schwarzes Radweg Loch geschickt. 

_dsc0290.jpg

Radlobby Aktion: Schwarze Löcher im Radwegnetz 

Seit Monaten warten wir auf die versprochenen Nachbesserungen für mehr Sicherheit für Radfahrende auf der geöffneten Einbahn Reinprechtsdorfer Straße, aber nichts geschieht. Die Radlobby Margareten hat diese Stelle als gefährlichste Lücke im Bezirk erkannt. Gemeinsam mit Platz für Wien fordern wir Stadträtin Ulli Sima und Bezirksvorsteherin Silvia Jankovic auf, hier endlich für Sicherheit der Radfahrenden zu sorgen!

Dazu begaben wir uns gemeinsam in das schwarze Loch Reinprechtsdorfer Straße und fuhren mit Warp-Geschwindigkeit bis zum Matzleinsdorfer Platz, wichen allen Blechasteroiden aus, versuchten, nicht zu viel CO2-Sternenstaub zu inhalieren und kehrten dann zurück zum Planeten Margareten um noch einmal einzufordern, was uns zusteht: Platz für sicheres Radfahren!

_dsc0329.jpg

Was bisher geschah...

Die Reinpi, wie sie oft im Volksmund genannt wird, ist eine Geschäfts- und Durchzugsstraße. Sie bildet die wichtigste Nord-Süd-Verbindung im fünften Bezirk. Bis 2019 wurde sie täglich von ca 17.000 motorisierten Fahrzeugen bei Tempo 50 in beide Richtungen befahren.
Als geradlinige Verlängerung der Triesterstraße erfreut sie sich seit eh und je großer Beliebtheit bei Ein- und Auspendlern aus dem Süden, obwohl die Route über den Margaretengürtel nur geringfügig länger dauert. Die starke Verkehrsbelastung und die autofreundliche Gestaltung ohne Grünraum hat zu einem unattraktiven Branchenmix mit sehr geringer Aufenthaltsqualität geführt.

_dsc0390.jpg

Umbaupläne schon seit Jahrzehnten 

Umbaupläne gibt es schon seit Jahrzehnten. Konkreter wurde es mit einer BürgerInnenbeteiligung zwischen 2014 und 2016, aus der hervorging, daß eine deutliche Verkehrsberuhigung und mehr Bäume gewünscht waren. Fahrradinfrastruktur wollte man damals nicht explizit einfordern, da die Errichtung von Fahrradstraßen in der Kohl- und Spengergasse im Raum stand.

Nachdem bekannt wurde, daß die U-Bahn-Linie U2 eine Südverlängerung bekommt, die von der Station Rathaus über Neubaugasse die bestehende Station Pilgramgasse mit dem Matzleinsdorferplatz verbinden soll, verzögerte sich die Planung. Ein überteuertes Bauangebot und die weltweite Pandemie schoben den Baubeginn noch zusätzlich hinaus.

Am 8.5.2019 wurde die Reinprechtsdorfer Straße im Zuge der Vorbereitungen für den Ubahnbau zu einer temporären Einbahn erklärt. Auf Fahrstreifenmarkierungen wurde verzichtet, Tempo 30 wurde verordnet. Der motorisierte Verkehr entfaltete sich nach einer kurzen Eingewöhnungsphase in voller Breite. Zwei- bis dreispurig wird gefahren. Zählt man Abbiegende dazu, so bilden sich abschnittsweise vier Spuren.

reinpi_bikewaytohell.jpg

Auf Radverkehr vergessen

Auf den Radverkehr wurde vergessen. Nur das kleine Stück zwischen Bräuhausgasse und Schönbrunner Straße wurde als geöffnete Einbahn deklariert - leider für KFZ und Busse schwer ersichtlich und hier begann bereits der Kampf zwischen Fahrzeugen, die zweispurig den Bus überholten und Radfahrenden, die zum Wientalradweg wollten.

Die Radlobby Margareten veranstaltete am 19.6.2020 eine Aktion mit der Forderung nach einer durchgängig geöffneten Einbahn, ordentlichen Markierungen und temporären Trennelementen (Poller, Leitbaken).

reinpi_pollerbaer.jpg

Auf massiven Druck hin vonseiten der Radlobby, des Bezirks und einigen Parteien, entschloß man sich, die Einbahn für den Radverkehr durchgängig zu öffnen. Am 21.10.2020 wurden die Maßnahmen umgesetzt, aber leider fanden die Forderungen der Radlobby nach einer sicheren Markierung und Abtrennung kein Gehör. Der motorisierte Verkehr bekam keine Fahrstreifenmarkierungen, der Radstreifen gegen die Einbahn
wurde nur stellenweise markiert und war somit für KFZ kaum erkennbar. Nur extrem Mutige trauten sich dort bergab zu rollen, auf direktem Konfrontationskurs mit drängelder und hupender Blechlawine. Viele abbiegende Fahrzeuge, Einparkende und Überholende, überfuhren den Radstreifen ständig und blockierten oft die Weiterfahrt. Fast täglich kam es zu brenzligen Situationen, Tempo 30 wurde kaum eingehalten.

204033361_324779805779299_5297741720693449518_n.jpg

Jahrelange Temporärlösung 

Von Seiten der zuständigen Dienststellen wurde immer wieder angeführt, dass es sich um eine Temporärlösung handelt und dass die Verkehrsführung aufgrund von zahlreichen Baustellen sehr oft wechselt. Markierungen wären zu teuer, hieß es. Die Polizei sei für die Einhaltung der Verkehrsregeln zuständig. Die Temporärlösung bleibt jedoch wesentlich länger bestehen als gedacht - bis mindestens 2023, wenn der nördliche (untere) Teil der Reinprechtsdorfer Straße endlich umgebaut wird.

reinpi_aktion.jpg

Sicherheitsgipfel 

Nach erneuten Interventionen von Seiten der Radlobby und der Politik fand schließlich am 23.3.2021 ein Sicherheitsgipfel zu diesem Thema statt. Eingeladen waren nur die Referenten der Verkehrsbehörde, die Polizei und die politischen Vertreter des Verkehrsausschusses. Es dauerte mehr als drei Monate bis schließlich durchgehende Markierungen angebracht wurden. An Kreuzungen ist diese zusätzlich
rot flankiert und im Bereich Arbeitergasse und Margaretenstraße wurden mobile Leitbaken zur sicheren Abgrenzung aufgestellt. Leider bleibt die Einbahnöffnung nicht auf der vollen Länge der Straße erhalten. Im oberen Teil beginnen größere Bauarbeiten, die nur eine Durchfahrtsbreite von 4m erlauben - gerade genug
für Autobus und KFZ in eine Richtung. Vonseiten des Bezirks wurde eine Ausweichmöglichkeit über die Kohlgasse und Spengergasse in Aussicht gestellt. Dahingehende Beschlüsse in der Bezirksvertretungssitzung vom März 2021 führten jedoch nicht zu einer schnellen Umsetzung.

roland.jpg

Im Moment prüfen die Behörden die Machbarkeit einer Fahrradfreundlichen Straße Kohlgasse. Kommt man per Fahrrad aus dem Süden, so führt die hürdenreiche Überquerung des Matzleinsdorfer Platzes zur Verzweiflung. Über die Leopold-Rister-Gasse gibt es kein Weiterkommen und falls man es in die Wiedner Hauptstraße schafft, so gelangt man nur mit Ortskenntnis in die Spengergasse, wo man zumindest bis zur Arbeitergasse durchfahren kann.

Wichtige Route 

Das Dauerprovisorium Reinprechtsdorfer Straße bleibt eine wichtige Route für den Radverkehr. Die geöffnete Einbahn wurde dank jüngster Adaptierungen entschärft,
aber zwischen Stolberggasse und Triesterstraße ist bis 2028 keine halbwegs befahrbare Lösung in Sicht. Mit Amtsantritt der neuen Bezirksvorsteherin Silvia Jankovic wurde das BürgerInnenbeteiligungsverfahren
zur Umgestaltung der Reinpi neu aufgerollt. Die Klimakrise, Corona und ein geändertes Mobilitätsverhalten führen zu lauteren Rufen nach Verkehrsberuhigung und besserer Befahrbarkeit mit dem Rad.

_dsc0329.jpg

Beteiligungsverfahren 

Im Herbst 2021 geht es weiter mit dem Beteiligungsverfahren. Es besteht nun Hoffnung auf die Errichtung von mehr Grünraum, mehr Aufenthaltsqualität und sicheres Radfahren für Jung und Alt in beide Richtungen. Dazu braucht es jedoch viele progressive Stimmen, die eine Ende des Durchzugsverkehrs einfordern. Erst wenn die Zahl der Fahrzeuge pro Tag 2000 unterschreitet, können Rad, Auto und
Bus gefahrlos im Mischverkehr geführt werden.