Koalition mit Rad? Analyse des Grünen-Wahlprogramms

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Anlässlich der Nationalratswahl analysiert die Radlobby die Wahlprogramme der wichtigsten kandidierenden Parteien und untersucht sie auf sieben Kriterien für eine radfreundliche Regierung, im Detail HIER nachzulesen. Wir möchten damit allen österreichischen WählerInnen, die ihre Alltagswege mit dem Rad zurücklegen, eine Entscheidungshilfe bieten. Nach der Analyse des Wahlprogramms der SPÖ  untersuchen wir nun das Wahlprogramm der Grünen

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1. Grundverständnis Fahrrad

Die verkehrspolitische Bedeutung des Fahrrades als Verkehrsmittel ist den Grünen erwartungsgemäß sehr bewusst, sie wird mehrmals ausdrücklich erwähnt. Es werden sogar Budgetmittel für den Radverkehr als konkretes Zukunftsprojekt eingemahnt. "Bahn und Öffis einerseits und Radfahren und Zufußgehen andererseits bekommen Priorität – beim Budget, bei der Besteuerung und beim Platz im öffentlichen Raum" (S. 31). 

Die Grünen versprechen, Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit zu geben und sind sehr bemüht, dieses Versprechen zu halten. In Ihrem Wahlprogramm werden umfassende Lösungen zu Umwelt und Klimaschutz angeboten, der Radverkehr ist eine davon. 

2. Klimaziele

Die notwendigen Vermeidung der Klimakatastrophe findet sich im Wahlprogramm gleich auf der ersten Seite nach dem Vorwort. Ein kompletter Programmpunkt ist einzig und allein dem Klimaschutz gewidmet. Die dramatischen Auswirkungen der Klimaveränderung werden beschrieben und erklärt, dass  Industriestaaten wie Österreich ihre Treibhausgasemissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts auf (netto) null reduzieren müssen, um die Klimakatastrophe zu verhindern. „Raus aus Kohle, Öl und Gas!“ lautet die Forderung der Grünen, die zum Leitmotiv einer Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien und deutlich höherer Energieeffizienz werden soll. „Die Ziele des Klimaabkommens von Paris können ohne ökologisches Umsteuern nicht erreicht werden“ (S. 16)  schreibt Ulrike Lunaceks Partei, und weiter: „Die Verantwortung für die Klimafrage betrifft viele Sektoren. Die Umsetzung des Pariser Klimavertrags geht mit einem tiefgreifenden Strukturwandel nicht nur der Energieversorgung einher. Auch die Art, wie wir konsumieren und unser Lebensstil spielen dabei eine Rolle“

Die Grünen stellen einige Forderungen, um die Klimaziele zu erreichen und bieten als mögliche Lösungen konkret ausgearbeitete Zukunftsprojekte. Aus Sicht des Radverkehrs sind dabei folgende Punkte besonders relevant:

  • Klima-Fortschritte beim Verkehr
  • Ökologisierung der Steuerstruktur
  • Öffi-Ausbau, gezielter Umstieg auf umweltfreundliche Anwendungen der Elektromobilität und Vorrang fürs Radfahren und Zufußgehen 
  • Abbau aller Subventionen für fossile Energieträger (z. B. durch Reform der Pendlerpauschale)
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3. Straßenverkehrsordnung

Die Grünen wollen „der Verkehrssicherheit mehr Gewicht geben“ (S. 15) und „den sicheren und zugleich sauberen und klimaschonenden „Umweltverbund“ – Öffis, Radfahren, Zufußgehen – weiter stärken“. Die bundesgesetzlichen Regelungen, wie etwa die Straßenverkehrsordnung sollen ins 21. Jahrhundert geholt werden, damit sie „nicht länger den Interessen der Autolobby von gestern dienen, sondern den Bedürfnissen von heute und morgen“. Eine  radfreundliche Novelle der StVO wird hier angestrebt und wurde auch in der parlamentarischen Arbeit der Grünen bisher wiederholt eingefordert.

4. Gesundheitsvorsorge

Ulrike Lunacek legt Wert auf eine gesunde Gestaltung der Lebensumwelt, die Stärkung der Gesundheitsvorsorge und der Prävention. Sie weiß, dass beispielsweise für ein Altern in Würde auch „Mobilitätsangebote“ zu den wichtigsten Faktoren zählen. Das Fahrrad als potenzielles Gesundheitsvorsorge-Instrument wird jedoch im Konkreten nicht erwähnt. 

5. Vision Zero

Die Grünen wollen – wie bereits oben erwähnt - der Verkehrssicherheit mehr Gewicht geben, sie finden, „Ablenkung durch das Handy am Steuer und Schnellfahren dürfen keine Kavaliersdelikte bleiben“ (S. 15). Radfahrende und Zufußgehende sollen mehr Unterstützung erhalten. Konkreteres will uns das Wahlprogramm der Grünen nicht verraten, aber das Grundverständnis für die Notwendigkeit von Tempolimits ist vorhanden.

6. Gerechtes Kilometergeld

Kritik hagelt es von den Grünen dafür, dass der Bund „1 Milliarde im Jahr für hochrangige Straßen ausgibt, aber nur 1 Million, also ein Zehntelprozent davon, für den emissionsfreien Radverkehr, der noch dazu vom Fiskus beim Kilometergeld benachteiligt statt gefördert wird“ (S. 24). Hier schließen sie sich der Kritik der Radlobby an und thematisieren die konkrete Ungleichbehandlung beim amtlichen Kilometergeld: Während dieses bei der Verwendung eines Autos pro Jahr mit maximal 30.000 Kilometern limitiert ist, liegt die Obergrenze bei Fahrrädern bei nur 1.500 Kilometern pro Jahr, also fünf pro Tag.

7. Natur öffnen

In Österreich ist das Radfahren im Wald meistens verboten, die Benutzung der 120.000 km Forststraßen ist bis auf wenige Ausnahmen untersagt. Im Wahlprogramm von Ulrike Lunacek findet sich zwar keine Forderung, die Natur für Radfahrende zu öffnen, aber ihre Parteikollegen haben bereits 2015 einen parlamentarischen Antrag dafür eingebracht. Die Grünen forderten unter Beibehaltung des besonderen Stellenwerts des Naturschutzes und der Waldbewirtschaftung von der Bundesregierung eine generelle Öffnung der Forststraßen für Mountainbiker und sind somit selber Meinung wie die Radlobby Österreich.

Fazit der Radlobby

Die Grünen zeigen wenig überraschend ein hohes Maß an Umweltbewusstsein und das deutliche Commitment, zu einer entmotorisierten, klimafreundlichen Gesellschaft beizutragen. Sechs von sieben der Radlobby-Kriterien werden erfüllt. Dieses hervorragende Ergebnis enstpricht auch den Erwartungshaltungen der grünen Zielgruppe.

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Statement von Grünen-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek:

Wir ersuchen alle Parteien um Stellungnahme zu unseren #koalitionmitrad-Analysen, diese erreichte uns prompt von Ulrike Lunacek: "Danke für eure genaue Analyse und die positive Aufnahme des Grünen Wahlprogrammes. In der Verkehrspolitik werden uns die spannenden nächten fünf Jahre mit den anstehenden Weichenstellungen voll fordern! Dass wir Grüne vom Hohen Haus bis zur Umsetzung vor Ort für den Radverkehr weiter kräftig in die Pedale treten werden, das kann ich garantieren und hoffe auf gute Kooperation! Übrigens: Dass Radeln ein sehr guter Weg ist gesund zu bleiben ist mir als Alltagsradlerin sehr bewusst und gerade jetzt im intensiven Wahlkampf viel wert."

(Wahlanalyse: Ines Ingerle und Alec Hager )

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