ÖBB-Unterführung Untergaumberg: Chronologie der Versäumnisse

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Stellen wir uns vor: Eine Autobahnbrücke wird neu gebaut, doch das Endergebnis für den Autoverkehr ist deutlich schlechter als es vorher war! Es ginge ein öffentlicher Aufschrei durch die Medien und die Politik. Die Öffentlichkeit würde vermutlich sogar fordern, dass irgendwer seinen Kopf hinhalten bzw. den Hut nehmen müsste.

Beim Autoverkehr herrscht ein Selbstverständnis, dass man Verbindungen mit höchsten Ansprüchen an Sicherheit und Komfort baut - man sieht dies aktuell bei der Luxus-Ausführung der Linzer Voest-Bypass-Brücken.

Leider ist das beim Radverkehr nicht der Fall. Im Gegenteil: Hier wird sogar völlig bewusst eine wichtige Rad-Verbindung nach über 10 Jahren Planungen verschlechtert. Und dass obwohl Interessenvertretungen wie die Radlobby jahrelang immer wieder alle Verantwortlichen kontaktiert haben und eindringlich davor gewarnt haben, sowie Lösungsansätze geliefert haben.

Wenn nun die Verantwortlichen sogar verteidigen, wie die neue Bahn-Unterführung für den Radverkehr baulich ausgeführt wurde und behaupten „das muss halt aus Platzgründen so sein“, dann gehört leider schon viel Unwillen und Ignoranz dazu. Hier wird den RadfahrerInnen vermittelt, dass sie gerade noch geduldet werden, wenn eine komplett neue Unterführung errichtet wird.

Dabei wäre es besser gegangen. Und alle Beteiligten haben davon gewusst.

9 Fehler

Wir zeigen auf, welche Versäumnisse und Fehler bei der Planung der Bahnunterführung Untergaumberg in den letzten Jahren passiert sind.

Fehler 1 - 2009

Die LINZ AG bzw. die beauftragten Planer für die Straßenbahn auf das Harter Plateau nehmen bei den ersten Planungen die Auflassung der geraden Zugangsrampe auf der Nordseite in Kauf.

Unterführung Untergaumberg vor dem Umbau
Unterführung Untergaumberg vor dem Umbau, von Lukas Beurle, Radlobby OÖ

Öffentlicher Verkehr und Radverkehr werden gegeneinander ausgespielt, genauso wie vor 27 Jahren beim AEC/Donautor in Urfahr, wo der bestehende Radweg zugunsten der Bushaltestelle ersatzlos aufgelassen wurde.

 

Fehler 2 - 2011

Sowohl die Stadt Linz als auch die Stadt Leonding beharren darauf, dass sie nur eine Fußgängerunterführung brauchen.

Der Radverkehr, der diese Unterführung für unzählige innerstädtische Wege dringend braucht, wird leider nicht wahrgenommen.

Fehler 3 - 2013

Die ÖBB akzeptiert, dass hier ein deutlicher Rückschritt stattfindet, obwohl um viel Geld eine deutliche größere Unterführung neu gebaut wird. Sie reicht diese rückschrittliche Planung („Größer, aber schlechter für die NutzerInnen“) ein.

Fehler 4 – 2013

Es wurde keine Variantenprüfung durchgeführt, wie man zumindest den vorher vorhandenen Zustand (auf beiden Seiten akzeptabel steile Rampen) geschweige denn eine Verbesserung für den Radverkehr erreichen könnte.

Bei der großzügigen Auslegung der für den zu erwartenden Fußgängerverkehr völlig überdimensionierten Unterführung hätte man ohne bzw. mit nur geringen Mehrkosten eine deutlich bessere Lösung für Fußgänger- und Radverkehr erzielen können.

Fehler 5 - durchgängig

Bei keinem der beteiligten Projektpartner (ÖBB, Leonding, Linz, Land OÖ) gab es Vertreter, mit denen man die eklatanten Verschlechterung für den Radverkehr intensiver diskutiert hätte können. Die Radlobby versuchte immer wieder mit Fakten und Lösungsansätzen Kontaktaufnahmen.

Fehler 6 - 2013

Die zuständige Behörde im UVP-Verfahren (Umweltverträglichkeitsprüfung) ignoriert die deutlichen Bedenken, die im Rahmen des Verfahrens (von der Radlobby und von anderen) eingebracht wurden und stellt einen positiven Bescheid aus. Dieser forderte keine Veränderung der vorgelegten Pläne - obwohl dies noch möglich gewesen werde. Damit wurde ein eklatanter Qualitätsrückschritt besiegelt.

Fehler 7 - durchgängig

Was z.B. in vielen umweltrelevanten Bereichen selbstverständlich ist, wurde hier vollkommen negiert: Bei derartigen Projekten gibt es eigentlich ein Verschlechterungsverbot.

Fehler 8 - 2019

Auch Jahre nach der Bewilligung und anhaltender deutlicher Kritik ist niemand bereit, irgendetwas an der rückschrittlichen Planung zu verändern. In vielen anderen Bereichen des Bauwesens ist das noch kurz vor der baulichen Umsetzung möglich - auch hier wäre noch etwas zu retten gewesen.

Niemand der Projektpartner hat in den vielen Jahren einen ernsthaften Versuch unternommen, in einem gemeinsamen Gespräch mögliche Verbesserungen abzuklären.

Fehler 9 - Realitätsverweigerung durch Stehsatz "Leider kein Platz!"

Die ÖBB erklärt medial nach der Fertigstellung: „Aufgrund der beengten Platzverhältnisse war eine Rampe auf der Nordseite nicht vernünftig zu errichten“. Das ist leider ein falscher Pauschalsatz, der gebetsmühlenartig immer wieder vorgetragen wird. Damit will man anscheinend vermeiden, eine ordentliche Planung machen zu müssen oder man will Fehlplanungen im Nachhinein rechtfertigen. Bei einer Planungszeit des Projekts von über 10 Jahren grenzt die Aussage schon an Realitätsverweigerung.

Mit demselben Satz wurde seitens ÖBB jahrelang auch am Mühlkreisbahnhof die Vergrößerung der Radabstellanlage blockiert. Doch im Jahr 2020 wurde - nachdem die Radlobby 20 Jahre lang Druck gemacht hat - von der ÖBB äußerst stolz die nun doch vergrößerte Radabstellanlage eröffnet.

Die Argumentation „Geht aus Platzgründen nicht“ hat bei ordentlicher und ernsthafter Planung noch nie gehalten!

Fazit: Politik muss aus diesen Fehlern lernen

Das Einzige, was diesen deutlichen Rückschritt noch minimal gelindert hat, ist der Einbau einer sehr steilen Schieberampe im Bereich der nördlichen Stiege. Dieser fand aufgrund letzter Kontaktaufnahmen der Radlobby statt.

Die Steilheit der Stiege müsste bei Behindertenorganisationen die Alarmglocken läuten lassen: Denn der Lift ist immer wieder auch mal außer Betrieb, das erste mal schon wenige Wochen nach der Eröffnung.

Dass ÖBB Chef Matthä in einer Aussendung verkündet, dass der Westkopf des Linzer Hauptbahnhofs fit gemacht wird, kann man angesichts der steilen Radrampe auch aus ganz anderer Sicht sehen. D.h. nicht die Fitness der Bahnstrecke wird trainiert, sondern der RadfahrerInnen, die diese Strecke queren müssen!

Als Fazit bleibt: Wenn die zuständige Politik - in Leonding und Linz, und auch auf Landes- und Bundesebene - es ernst meint, mit der Förderung des Radverkehrs, wenn sie ihn als „wichtigen Mosaikstein im Gesamtverkehrskonzept“ sieht, wenn sie „Radhauptrouten kontinuierlich ausbauen will“, wenn sie „den Linzer Radverkehr ankurbeln“ will, dann sollte sie aus dem Zustandekommen dieser Pfuschlösung Lehren ziehen! Sonst wird das nichts!