Landtagswahl Kärnten 2023

(veröffentlicht am 23. 02. 2023)

Wie auch schon bei der Gemeinderatswahl 2021 hat die Radlobby zur kommenden Landtagswahl Fragen zu 6 Themen an die 8 landesweit antretenden Parteien und Listen gestellt. Dabei ging es etwa um finanzielle Mittel, die Flächenverteilung oder die Prioritäten im Verkehr nach der Wahl. 7 der 8 Parteien haben die Fragen beantwortet und damit ein wenig Hoffnung, aber auch Ernüchterung ausgelöst.

Was die Landtagswahl 2023 für den Radverkehr bedeuten könnte

Radfahren arbeitet sich in seiner Bedeutung als Verkehrsmittel Stück für Stück nach oben und Österreichs Länder und Gemeinden tragen dieser Entwicklung Rechnung, manche ambitionierter, manche eher zögerlich. Zwar gab es auch in Kärnten da und dort den leisen Ruf nach mehr Radverkehr, der große Schub blieb aber aus. Ganz anders etwa als im Flächenbundesland Niederösterreich, das mit dem „Radbasisnetz“ momentan einen beispiellosen Prozess zur Modernisierung des landesweiten Radverkehrsnetzes angestoßen hat. Doch wie stehen die Parteien in Kärnten zu solchen oder ähnlichen Ideen? Bestehen die Chancen auf eine massive Aufstockung des (seit jeher) mageren Radverkehrs-Budgets auf Landesebene? Werden Radwege endlich so gebaut, dass sie zügig, sicher und komfortabel befahrbar sind? Wir haben bei den Parteien nachgefragt.

Wahlbarometer zur Kärntner Landtagswahl 2023

Budgetaufstockungen

Zum Thema Budget wurde im Jahr 2022 seitens des Umweltbundesamtes die Studie „Investitionsbedarf Radverkehr“ erstellt, in der für Kärnten ein (Aufhol-)Bedarf von rund 331 Mio. € festgestellt wurde, was auf 10 Jahre aufgeteilt je 33 Mio. € oder 73 € je Einwohner und Jahr bedeuten würde. Auf die Frage, wie hoch das Radverkehrsbudget des Landes im Lichte dieser Summe sein sollte, gaben nur die Grünen an, mehr als 30 € pro Einwohner und Jahr investieren zu wollen. VÖ, NEOS und auch die bisher ressortzuständige (und äußerst straßenbauaffine) ÖVP wollen in der Größenordnung von 10-30 € je Einwohner und Jahr investieren. SPÖ, BFK und Team Kärnten wenig bis nichts.

Radwegenetz

Die grundlegende Überarbeitung des veralteten überregionalen Radwegenetzes ist immerhin 5 Parteien ein dezidiertes Anliegen, wiewohl die Ideen zur konkreten Umsetzung stark variieren. Die SPÖ und ÖVP berufen sich gar auf den fachlich fragwürdigen „Masterplan Radmobilität 2025“ (Stellungnahme der Radlobby vorhanden), der weder ein exaktes Zielnetz noch Vorgaben zur Infrastruktur oder ein Maßnahmenkapitel enthält.

Vorrang

Beim Thema Vorrang ging es um die Beseitigung der (in Kärnten extrem ausgeprägten) „Stop&Go-Stellen“ auf Radwegen und um die Sanierung der vielerorts richtlinienwidrigen und gefährlichen Kreuzungslösungen für den Radverkehr. Nur 3 Parteien (Grüne, NEOS und VÖ) können hier ein klares Bekenntnis dazu abgeben, Verbesserungen herbeizuführen und Radfahrende nicht mehr als Verkehrsteilnehmer 2. Klasse zu behandeln.

Dem Thema Rechtsabbiegen bei Rot wird teils noch kritisch begegnet, obwohl es hier mittlerweile in anderen Bundesländern schon Umsetzungen gibt und seitens der FSV sogar eine detaillierte Richtlinie zur Einführung dieser (in einigen anderen Staaten längst gängigen) Maßnahme erarbeitet wurde. GRÜNE, NEOS, SPÖ und VÖ wären zur Umsetzung dieser Maßnahme bereit.

Flächenumverteilung

Die Flächenumverteilung ist ein Thema, bei dem schnell klar wird, wer es ernst meint mit Bekenntnissen für den Radverkehr. Doch immerhin 4 Parteien können sich klar vorstellen, Lücken im Radverkehrsnetz auch dann zu schließen, wenn die Fläche dafür von Fahr- oder Parkstreifen herangezogen werden muss. Für das BFK kommt dies gar nicht infrage, ÖVP und TK bleiben unentschlossen. Es bleibt also spannend, ob sich an den grauen und lauten Asphaltwüsten à la Rosentaler oder Völkermarkter Straße in Klagenfurt, die beide größtenteils über keine adäquaten Radverkehrsanlagen verfügen, in den kommenden Jahren etwas ändern wird.

Radparken

Beim Thema Radparken ging es einerseits um die finanzielle und fachliche Unterstützung der Gemeinden bei der Umsetzung hochwertiger Radabstellanlagen, andererseits um eine zeitgemäße Verankerung des Radparkens in der Kärntner Bauordnung bzw. den Bauvorschriften. Während Punkt 1 bei den meisten Parteien auf Zustimmung stößt, scheint es bei Punkt 2 eine gröbere Wissenslücke in Kärntens politischer Landschaft zu geben. Denn während die Errichtung von KFZ-Stellplätzen im Neubau rechtlich eindeutig geregelt ist, hinkt Kärnten bei einer gleichwertigen Bestimmung für den Radverkehr deutlich hinter anderen Bundesländern hinterher. Beispielsweise gibt es in Salzburg oder Oberösterreich in den jeweiligen Vorschriften klare Vorgaben zu Lage, Anzahl und Beschaffenheit von Radabstellanlagen. Derartige Festlegungen fehlen in Kärnten, was zur Folge hat, dass in Neubauten immer noch unbrauchbare Radabstellanlagen entstehen. Skurril auch die Antwort des BFK, das sich vor höheren Mieten wegen besserer Radabstellanlagen fürchtet (Errichtungskosten ca. 200€/Platz), dabei aber die überbordenden KFZ-Stellplatzverpflichtungen (>10.000€/Platz) ignoriert.

Verwaltung

Beim letzten Thema ging es um die Verwaltung. Denn dort hat es der Radverkehr erst recht nicht leicht. Es braucht gleich zwei Abteilungen (7 & 9), um Projekte im Radverkehr auf den Boden zu bringen. Die Erfahrungen zeigen, dass es hier zu Reibungsverlusten, Kommunikationsproblemen und dem Hin- und Herschieben von Zuständigkeiten kommt. Überdies hat Kärnten im Vergleich zu anderen Bundesländern durchaus Aufholbedarf bei den personellen Ressourcen für den Radverkehr, in Quantität und Qualität. Dafür gibt es aber kaum Problembewusstsein, auch nicht von der bisher ressortzuständigen ÖVP.

 

Wahlempfehlung geben wir als überparteiliche Initiative keine ab. Wer dem Radverkehr in Kärnten aber einen Schub geben möchte, der hat nur wenig Auswahl. Die bisher im Landtag vertretenen Parteien haben in ihren Antworten insgesamt eher wenig Wille zu Verbesserung oder Innovation durchscheinen lassen, jene in Regierungsverantwortung sehen den Status quo naturgemäß wenig problematisch. Es wird also ein neues Glied im Landtag oder besser in der Landesregierung brauchen, damit der Radverkehr in Kärnten aufholen kann. Denn mit mageren Budgets und veralteten Planungsmethoden wird das nicht gelingen.

Nachtrag am 24. 02. 2023:
Die FPÖ hat unsere Fragen erst heute, Wochen nach der letzten Frist, im Detail beantwortet. Zu diesem Zeitpunkt waren sämtliche Analysen und Unterlagen bereits fertiggestellt. Deshalb konnten diese verspäteten Antworten im Wahlbarometer nicht mehr berücksichtigt werden.

Hier die Fragen im Detail

1. Budget

Die Grundlagenstudie “Investitionsbedarf Radverkehr” des Umweltbundesamtes vom April 2022, erstellt im Auftrag aller Bundesländer, hat für Kärnten einen Investitionsbedarf von rund 331 Mio. € ergeben, wenn der Radverkehrsanteil deutlich gesteigert (verdoppelt) werden soll. Auf 10 Jahre aufgeteilt, wären das jährlich rund 33 Mio. € oder 73 € pro Einwohner:in und Jahr, verteilt auf Mittel von Bund, Land und Gemeinden.

  1. Wie hoch soll ihrer Meinung nach das Radbudget des Landes sein (auch angesichts einer sehr angespannten finanziellen Situation vieler Gemeinden)?
    1. 0-10 € je EW und Jahr
    2. 10-30 €
    3. über 30 €
  2. Woher soll das Land das dazu notwendige Geld nehmen, sprich aus welchen
    Bereichen des Budgets sollen Mittel umgeschichtet werden?

2. Überregionales und regionales Radwegenetz

Das in den 1980er Jahren erstellte überregionale Radwegenetz in Kärnten entspricht hinsichtlich Netzgestaltung und Routenführung (teils große Umwege) nicht mehr dem Stand der Technik. Es ist primär touristisch ausgelegt und hat nur geringen Nutzen für den Alltagsradverkehr. Das Land Niederösterreich führt mit dem „Radbasisnetz“ und den ergänzenden Radschnellwegen momentan einen in Österreich bisher beispiellosen Planungsprozess durch, in dem Radverkehrsnetze auf regionaler und überregionaler Ebene teils von Grund auf neu geplant werden, um dem Stand der Technik zu entsprechen und zu einer größtmöglichen Attraktivierung zu führen.

  1. Sind Sie bereit, eine grundlegende Überarbeitung des überregionalen Radwegenetzes in Kärnten zu beauftragen (Verbindung aller Ober-, Mittel- und Unterzentren, Anbindung aller hochrangigen ÖV-Knoten, wie etwa S-Bahn-Stationen)?
  2. Sind Sie dafür, dass das Land in Ergänzung zum überregionalen Radwegenetz auch bei der Planung und Finanzierung regionaler Projekte mitwirkt, etwa durch eine landesweit koordinierte Erarbeitung regionaler Radkonzepte?

3. Vorrang für den Radverkehr

In Kärnten sind trotz klarer Vorgaben die meisten Radwege entlang bevorrangter Straßen gegenüber einmündenden Nebenstraßen benachrangt, das heißt, der Radweg endet vor der querenden Straße und beginnt danach wieder.

  1. Sind Sie dafür, dass im Wirkungsbereich des Landes straßenbegleitende Radwege prinzipiell gleich bevorrangt werden wie die parallele Fahrbahn (d.h. mit Radfahrüberfahrten)?
  2. Sind Sie bereit, die entsprechenden finanziellen Mittel und Aufträge an die Verwaltung bereitzustellen, um die vielerorts unsicheren und richtlinienwidrigen Kreuzungslösungen für den Radverkehr im Wirkungsbereich des Landes zu sanieren?
  3. Sind Sie bereit, die Neuerungen der StVO (z.B. Rechtsabbiegen bei Rot für Radfahrende) im Wirkungsbereich des Landes aktiv umzusetzen – und nicht wie bisher – abzuwarten, um das Radfahren attraktiver zu machen?

4. Flächenumverteilung

Gerade innerorts muss der Radverkehr in der Flächenverteilung häufig zugunsten des KFZ-Verkehrs zurückstecken. Was bleibt, sind plötzlich endende Radwege und gefährliche Situationen, die das Radfahren für den Großteil der Bevölkerung unattraktiv machen.

  1. Sind Sie bereit, an jenen Straßen und Radwegen, die im Wirkungsbereich des Landes liegen, Radweg-Lücken konsequent zu schließen?
  2. Wären Sie auch dann dazu bereit, wenn dafür Fahr- oder Parkstreifen des KFZ-Verkehrs zugunsten des Rad- und Fußverkehrs umzuwidmen wären?
  3. Wo sehen Sie in Kärnten diesbezüglich den dringendsten Handlungsbedarf?
    (Örtlichkeiten)

5. Radparken

Sichere Abstellmöglichkeiten werden zunehmend wichtiger und sind eine verhältnismäßig kostengünstige und effektive Maßnahme, um den Radverkehr zu fördern. Häufig fehlt aber das Bewusstsein für die Notwendigkeit. Auch bei den gesetzlichen Grundlagen hat Kärnten hohen Aufholbedarf, um die Errichtung hochwertigen Radparkens in Gebäudeneubau und -sanierung zu gewährleisten.

  1. Sind Sie bereit, seitens des Landes sowohl das Wissen als auch die finanziellen Mittel bereitzustellen, um die Gemeinden bei der Umsetzung von sicherem Radparken zu unterstützen?
  2. Sind Sie bereit, die Kärntner Bauordnung bzw. Bauvorschriften dahingehend zu ändern, dass hochwertiges Radparken verpflichtend im Neubau umzusetzen ist, so wie dies bereits für KFZ-Stellplätze verankert ist?

6. Strukturelle Anpassungen der Verwaltung

Bis in Kärnten ein Radverkehrsprojekt Realität wird, geht es einen mühsamen Weg durch
nicht dafür konzipierte und chronisch unterbesetzte Verwaltungsstrukturen. Darüber hinaus sind gleich zwei Abteilungen, die Abteilungen 7 und 9, in diesen Prozess involviert, was zu langwierigen Abstimmungen, Reibungsverlusten und dem Hin- und Herschieben von Zuständigkeiten führt.

  1. Sind Sie dafür, den Radverkehr auch strukturell in der Verwaltung zu stärken, indem sämtliche relevante Kompetenzen und Verwaltungsteile in einer eigenen, auf Radverkehr spezialisierten, Unterabteilung konzentriert werden?

Die Antworten der Parteien im Detail