Wiens Infrastruktur-Offensive lässt auf sich warten

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London baut um eine Milliarde Euro die zweite Generation der Cycle Super Highways, Norwegens Städte bekommen 850 Millionen Euro für Radschnellwege, Paris investiert 150 Millionen Euro in die Verdopplung des Radwegenetzes, inklusive der Errichtung innerstädtischer Radschnellwege.

Finanziell betrachtet steht Wien mit 6 Millionen Euro Jahresbudget im Schatten dieser Kommunen, die bis vor kurzem niemand als Radverkehrs-Vorzeigestädte bezeichnet hätte. Im April präsentierte nun die Stadt Wien ihr Radverkehrs-Bauprogramm für das laufende Jahr. Unsere Analyse, was Wien mit seinen geringen Mitteln heuer umsetzen möchte, zeigt positive Entwicklungen und Mängel auf.

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Radwegebauprogramm 2016 der Stadt Wien

Sieben Projekte im Fokus

Die Radlobby Wien hat sich die sieben wichtigsten Projekte aus dem Bauprogramm näher angesehen und zieht hier kurz Bilanz:

#1:  Getreidemarkt

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Beim Naschmarkt: Einmündung des Getreidemarkts in die Linke Wienzeile

Der Getreidemarkt ist ein wichtiges Verbindungsstück für den Radverkehr, dennoch klafft hier ein Loch von einem Quadratkilometer im Radverkehrsnetz. Obwohl hier zahlreiche Hauptstraßen verlaufen, gibt es kein sicheres Angebot für den Radverkehr. Die vorgesehene Umbaumaßnahme beinhaltet einen Einrichtungsradweg von Lehargasse bis rechter Wienzeile. Damit wurde zwar richtig erkannt, dass es hier einen Radweg braucht, jedoch wird vorerst nur ein Teilstück realisiert, das in der derzeitigen Ausgestaltung  zu wenig Breite und zu lange Ampelphasen als Schwächen aufweist. Auch fehlt eine Lösung  für die Fahrtrichtung bergauf zu wichtigen Zielen wie der Technischen Universität (TU) und dem Gymnasium Rahlgasse.

Aus Sicht der Radlobby und der von uns eingebundenen Experten braucht es am Getreidemarkt:

  • Einen durchgängigen, breiten, baulich getrennten Radweg von Mariahilfer Straße bis Operngasse sowie in die Gegenrichtung
  • Die Möglichkeit, TU und Gumpendorfer Straße sicher und direkt zu erreichen    
  • Ampelphasen bei den Kreuzungen Wiental und Operngasse für den Radverkehr, die den Richtlinien entsprechen (maximal 40 Sekunden Wartezeit für RadlerInnen)

Fazit: Diese Fortsetzung der mangelhaften Radverbindungen auf der Hauptradroute 2er-Linie ist weder zeitgemäß noch zukunftsfähig. Es braucht eine rasche, sichere Gesamtlösung am Getreidemarkt.

 

#2: Jonasreindl

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Jonasreindl am Schottentor

Der Ringradweg am äußeren Ring wartet seit 2012 auf die Umsetzung des Lückenschlusses beim „Jonasreindl“, der bekannten Straßenbahnschleife und U-Bahnstation am Schottentor. Die durchgängige Verbindung des Außenrings ist eine langjährige Radlobby-Forderung, die endlich umgesetzt wird. In Summe werden hier ein neuer Radweg errichtet, zwei Einbahnen geöffnet und Platz in der Nebenfahrbahn umverteilt.

Fazit: Eine deutliche Verbesserung zum Ist-Zustand, mit Optimierungspotential an Kreuzungen und bei der Fortsetzung Richtung Universität. Die notwendige Umgestaltung der Kreuzungsplateaus bei der Maria-Theresien-Straße sowie die möglichst ampelfreie Gestaltung kommen leider nicht.

 

#3: Goldschlagstraße

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Goldschlagstraße

Die Umgestaltung der Goldschlagstraße im 15. Bezirk zur fahrradfreundlichen Straße mit durchgängiger attraktiver Befahrbarkeit von der Johnstraße bis zur neuen Gürtelquerung wurde schon 2015 begonnen. Sie stellt eine wichtige Verbindung mit überregionaler Bedeutung dar, allerdings mit dem Manko schmaler Radstreifen neben parkenden Kraftfahrzeugen, Umlaufsperren und fehlendem durchgängigen Vorrang für Radfahrende. 2016 wird ein Teil zur Fahrradstraße gewidmet, wodurch Einbahnen geöffnet und ein Kreuzungsplateau umgestaltet wird.

Fazit: Wien bekommt endlich eine erste Fahrradstraße im zentrumsnahen, dicht bebauten Gebiet. Eine gute und wichtige neue Verbindung wird errichtet. Generell wird das Projekt ausdrücklich begrüßt, in manchen Punkten gibt es Verbesserungsbedarf. Zusätzliche Verkehrsberuhigung im gesamten Gebiet ist erstrebenswert.

 

#4: Wipplinger Straße und Peregringasse

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Peregrinstraße zwischen Kolingasse und Maria-Theresien-Straße

Mit diesem Straßenzug wird ein wichtiger guter Lückenschluss begonnen. Er ist Teil der Cityquerung Ost-West und verbindet den Schottenring über das Lugeck mit dem Parkring. Im Bauprogramm ist jedoch nur ein Teil des Lückenschlusses enthalten. Die Einbahn in der Wipplingerstraße wird vom Ring bis zur Renngasse in beide Richtungen beradelbar.

Weiterhin fehlt die Fortführung bis zu den Tuchlauben und damit eine optimierte Nutzung des Straßenquerschnittes für den Fließverkehr.

Fazit: Diese Umsetzung ist Teil einer langjährigen Radlobby-Forderung und dringend notwendig. Sehr gut, dass dies jetzt angegangen wird! Die dringend benötigte Fortführung muss ebenfalls möglichst bald realisiert werden.

#5: Schottenfeldgasse

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Von der Lerchenfelderstraße in die Schottenfeldgasse

Durch eine Einbahnöffnung von 170 Metern Länge in der Schottenfeldgasse wird  eine neue wichtige Querverbindung in Wien Neubau für den Radverkehr hergestellt.  Kleinere Anpassungsarbeiten weisen hier eine sehr gute Kosten-Nutzen-Bilanz auf und erschließen ein großes Potential für kurze Wege mit dem Rad. Eine Route von 2,3 Kilometer zwischen Alser Straße und Mariahilfer Straße wird dadurch durchgängig befahrbar.

Der sinnvolle nächste Schritt ist eine Fortsetzung Richtung Süden zwischen Mariahilfer Straße und Wienzeile via Webgasse und Grabnergasse als Teil einer wichtigen Hauptradroute zum Matzleinsdorfer Platz.

Fazit: Das Projekt stellt einen Meilensteins für den nördlichen Teil der Querverbindung dar. Die Umsetzung der südlichen Fortführung ist dringend notwendig.

 

#6: Schönbrunner Straße & Kobingergasse

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Schönbrunner Straße

Auf der zukünftigen Langstreckenverbindung West werden durch dieses Projekt von der Gierstergasse bis Kobingergasse Konfliktbereiche entschärft. Die neue Route wird entlang der Schönbrunner Straße geführt, wodurch elf rechtwinkeligen Kurven vermieden und eine neue, direkte und kurvenarme Strecke errichtet wird. Als Teil der Langstreckenverbindung wird der Radverkehr in eine geöffnete Einbahn, auf einen Radweg und schließlich auf einen gemischten Geh- und Radweg geleitet. Diese Mischflächen von Fußverkehr auf einer Rad-Langstrecke bedeuten eine Einschränkung der Verkehrsqualität sowohl für FußgängerInnen als auch Radfahrenden

Fazit: Eine wichtige Qualitätsverbesserung zum Bestand. Auf Langstrecken ist jedoch auf ausreichend dimensionierte getrennte Flächen für Fuß- und Radverkehr zu achten, wie die Radlobby Wien in Fachgremien bereits klarstellte. Generell braucht die Umsetzung der drei prioritären Langstreckenverbindungen West, Nord und Süd das nötige Budget und starken politischen Willen, falls sie nicht scheitern soll.

 

#7: Peter Jordan Straße

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Peter-Jordan-Straße

Die Peter-Jordan-Straße im 19. Bezirk ist eine große Lücke im Hauptradverkehrsnetz. Dort soll im Jahr 2016 der bestehende Querschnitt teilweise adaptiert und eine veränderte Spurenaufteilung markiert sowie die Kreuzung beim Linnéplatz angepasst werden. Bergauf kommt ein neuer Radfahrstreifen, bergab wird ein Mehrzweckstreifen teils neben Parkflächen markiert. Die Radlobby hat gleichzeitig mit anderen AkteurInnen  den Mehrzweckstreifen bergab klar abgelehnt, da dieser im „Dooring“-Bereich geöffneter Autotüren liegt und zu Überholmanövern von Kfz ohne ausreichenden Abstand führt 

Fazit: Eine Chance zum Lückenschluss wird teilweise ergriffen, aber nicht zur Gänze genützt. Aufgrund von baulichen Rahmenbedingungen und mangelnder politischer Unterstützung wird ein Projekt mit Sicherheitsmängeln umgesetzt. Dadurch werden spätere Verbesserungen notwendig sein.

 

Was fehlt im Bauprogramm?

Wichtige ausstehende Projekte wie die Triester Straße, Wagramer Straße und Wiedner Hauptstraße haben es nicht in das Bauprogramm geschafft. Die Zeit ist reif für die Fahrradstraße Argentinierstraße, den Radweg Rennweg und den Lückenschluss Alser Straße bzw. Florianigasse.

Es braucht eine deutliche Steigerung der Investionen in den Radverkehr, damit Radfahren für alle sicher und komfortabel wird. Investionen in Radverkehrs haben einen hohen Return-On-Investment in Form von Gewinnen an Gesundheit, Sicherheit und Lebensqualität.